Silberstern Sternentaenzers Sohn 03- Reise in die Vergangenheit
Elena erstaunt. „Dann kann sie also reiten?“ Ihre Stimme klang etwas wehmütig.
„Ja, das kann sie. Sehr gut sogar“, erwiderte die Igoumeni. „Genau wie du.“ Sie hielt einen Augenblick inne. „Annit sieht dir übrigens sehr ähnlich“, ergänzte sie dann.
Am anderen Ende der Leitung war es still. Die Äbtissin wusste, dass sie Elena jetzt nicht drängen durfte. Dafür stand zu viel auf dem Spiel.
„Hast du Annit erzählt, dass wir vor ein paar Tagen schon einmal wegen ihr telefoniert haben?“, wollte Elena schließlich wissen.
„Nein“, antwortete die Äbtissin. „Ich habe es nicht übers Herz gebracht. Das hätte das Mädchen zu sehr enttäuscht.“
Bei dem ersten Telefonat hatte Elena nach wenigen Minuten schluchzend das Gespräch beendet und die Äbtissin ratlos zurückgelassen. Was hätte sie Annit da sagen sollen? Sie wollte dem Mädchen doch nicht die Hoffnung nehmen, dass sie ihre Mutter eines Tages vielleicht doch noch kennenlernen könnte. Und von ihr dann auch erfahren würde, was mit ihrem Vater war.
„Danke“, sagte Elena leise.
„Du musst mir nicht danken“, entgegnete aie Igoumeni. „Ich habe nur das getan, was ich für richtig hielt, um Annit weiteren Schmerz zu ersparen.“
„Aber Annit geht es doch gut, oder?“, vergewisserte sich Elena. „Bitte sag, dass es ihr gut geht.“
Die Äbtissin wandte sich vom Fenster ab. „Annit bekommt hier alles, was sie braucht“, erklärte sie. „Und ich habe den Eindruck, dass sie sich hier ganz wohl fühlt. Aber das, was ihr wirklich fehlt, kann sie bei uns nicht finden. Ihre Mutter.“
Wieder brach Elena in Tränen aus. „Bitte versuch doch, mich zu verstehen, Angeliki“, schluchzte sie in den Telefonhörer. „Ich ... ich kann einfach nicht ..." Sie brach ab.
„Und warum nicht?“, rief die Äbtissin aufgebracht, obwohl sie sich vorgenommen hatte, ruhig zu bleiben. Doch Annits Schicksal ging ihr zu nahe.
Elena antwortete lange nicht. „Weil ich mich schäme“, gestand sie schließlich. „Ich schäme mich unendlich, weil ich Annit all die Jahre allein gelassen habe. Und ich weiß nicht, wie ich ihr das erklären soll.“ Sie schluckte. „Aber ich konnte doch nicht anders.“
Die Igoumeni merkte genau, wie verzweifelt Elena war. Und sie hatte Mitleid mit ihr. Sie wusste ja, dass Elena ihre Tochter nicht aus bösem Willen im Stich gelassen hatte. Trotzdem wollte sie sich nicht mit ihrer Antwort abfinden. „Warum teilst du Annit all das nicht selber mit, was du mir gerade gesagt hast? Das Mädchen wird es verstehen. All das ist immer noch besser als zu schweigen.“
„Ich kann nicht“, gab Elena zurück. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Annit mich verstehen wird. Keiner versteht, warum ich damals so handeln musste.“
Die Äbtissin ließ sich schwer in ihren Stuhl fallen. „Ist das dein letztes Wort, Elena?“
Wieder herrschte für eine ganze Weile Schweigen am anderen Ende. „Ja“, presste Elena endlich hervor. „Bitte verzeih mir.“ Dann legte sie auf.
Die Igoumeni starrte den Hörer in ihrer Hand an. Sie konnte und wollte nicht glauben, was sie eben gehört hatte. Elena wollte ihre Tochter nicht sehen. Langsam legte sie den Hörer zurück auf die Gabel und stützte den Kopf in die Hände.
Sie war sehr enttäuscht, dass sie Elena nicht hatte überreden können, sich mit Annit zu treffen. Am allerliebsten hätte sie noch einmal bei ihr angerufen. Aber sie wusste, dass es zwecklos war. Elena hatte sich entschieden, und daran würde sie nichts mehr ändern können. Wie soll ich Annit das nur beibringen, überlegte die Igoumeni traurig. Was soll ich ihr bloß sagen, wenn sie
mich fragt?
Annit und Mannito waren an diesem Tag mit ihren Pferden noch bis zu einem kleinen Fischerdorf geritten. Dort hatten sie ein paar Fischern dabei zugesehen, wie sie ihre großen Netze flickten. Annit hatte der Ausflug besonders gut gefallen. So war sie wenigstens eine Weile abgelenkt worden und musste nicht dauernd an ihre Eltern denken.
Als sie jedoch gegen Abend ins Kloster zurückkehrten und Annit die Äbtissin in dem kleinen Garten bei der Kirche sah, holten die Gedanken an ihre Eltern sie sofort wieder ein.
Annit überlegte, was sie tun sollte. Soll ich die Igoumeni fragen, ob sie wegen meiner Eltern schon etwas erreicht hat? Oder ist es besser abzuwarten, bis sie mich von sich aus anspricht. Annit konnte sich nicht entscheiden und schilderte Mannito ihr
Weitere Kostenlose Bücher