Silberstern Sternentaenzers Sohn 03- Reise in die Vergangenheit
sehr nachdenklich war. Auch heute Morgen beim Frühstück war ihr wieder aufgefallen, dass Annit kaum ein Wort gesprochen hatte und wieder sehr geistesabwesend wirkte.
Ich muss ihr endlich weiterhelfen, beschloss die Igoumeni voller Mitgefühl. Sie hat ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihren Eltern ist. Die Äbtissin hatte Annit von Anfang an ins Herz geschlossen, auch wenn sie das dem Mädchen nicht zeigte. Es tat ihr zwar sehr leid, aber sie musste dieses Gefühl der Zuneigung für sich behalten. Sie durfte nicht zu viel preisgeben - nicht, bevor sie nicht selbst Gewissheit hatte.
Die Igoumeni seufzte schwer. Warum musste das damals alles geschehen? ... Hätte ich es vielleicht doch verhindern können? Sie schüttelte den Kopf. Es nützt ja nichts, wenn ich immer und immer wieder über das nachgrüble, was sich vor vielen Jahren abgespielt hat, dachte sie wehmütig. Wichtig ist, dass jetzt etwas passiert. Und dass Annit endlich Gewissheit findet.
Die Äbtissin schritt zurück ins Kloster. Gerade als sie in ihr Büro wollte, kam Mariana ihr entgegen.
„Wir wollten doch noch mal die Einladungsliste für die Ausstellung durchgehen“, sagte die junge Nonne und deutete auf einen großen Schreibblock, den sie in der Hand hielt. „Damit wir auch ganz sicher niemanden vergessen.“
Die Igoumeni schaute sie mit abwesendem Blick an, da ihre Gedanken immer noch um Annit kreisten. „Das können wir später immer noch erledigen“, erwiderte sie. „Ich habe im Moment Wichtigeres zu tun.“ Sie nahm die Türklinke in die Hand. „Ach, noch etwas“, fügte sie bestimmt hinzu. „Ich möchte in der nächsten Stunde nicht gestört werden.“
Dann betrat sie ihr Büro, schloss die Tür, ging zu ihrem Schreibtisch und nahm dahinter Platz. Eine ganze Weile starrte sie auf das Telefon, das vor ihr stand. Sie wusste, dass nun alles von ihr abhing. Ich muss die richtigen Worte finden, damit ich Annit endlich helfen kann, dachte sie. Warum nur muss das alles so kompliziert sein?
Manchmal hätte die Äbtissin Annit am liebsten in den Arm genommen und sie getröstet. Ihr gesagt, dass alles wieder gut wird. Aber das konnte und durfte sie nicht. Denn sie wusste ja selbst nicht, was die Zukunft bringen würde. Doch es quälte sie, dass sie vor Annit ein Geheimnis daraus machen musste.
Seufzend nahm die Igoumeni schließlich den Telefonhörer in die Hand und wählte eine Nummer, die sie nur zu gut kannte. Hoffentlich ist Elena überhaupt da, dachte sie, während sie dem Klingelzeichen lauschte.
Endlich meldete sich jemand.
„Elena, ich bin es, Angeliki“, begann die Igoumeni. „Bitte leg nicht gleich auf. Ich muss noch einmal mit dir reden.“
Am anderen Ende herrschte lange Schweigen. „Es hat sich nichts geändert, ich bleibe dabei“, erwiderte Elena dann. „Das musst du doch verstehen.“
Die Äbtissin trommelte mit den Fingern leise auf die Holzplatte ihres Schreibtischs. Sie hatte gehofft, dass Elena es sich seit ihrem ersten Gespräch vor ein paar Tagen doch noch anders überlegen würde. „Annit ist deine Tochter“, sagte die Igoumeni eindringlich. „Und sie hat den weiten Weg bis hierher gemacht, um dich endlich kennenzulernen. Meinst du nicht auch, dass sie ein Recht darauf hat?“ Ihre Hand umklammerte den Hörer so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
„Ich weiß, dass Annit meine Tochter ist“, gab Elena mit erstickter Stimme zurück. „Wie könnte ich das jemals vergessen!“ Sie verstummte, und die Äbtissin hörte, dass Elena weinte. „Erzähl mir ein bisschen von ihr“, bat Elena, nachdem sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. „Wie sieht sie aus? Was macht sie? ...“
„Das alles könntest du von ihr selbst erfahren, wenn du dich mit ihr treffen würdest“, unterbrach die Igoumeni sie schärfer als beabsichtigt.
„Bitte, Angeliki“, flehte Elena leise. „Erzähl mir doch ein bisschen von Annit.“
Die Äbtissin erhob sich von ihrem Stuhl und ging mit dem Hörer in der Hand zum Fenster. Geistesabwesend schaute sie hinunter in den Klostergarten. „Annit ist ein ganz reizendes Mädchen“, sagte sie schließlich. „Sie ist sehr aufgeschlossen und freundlich. Und sie hilft, wo sie kann. Annit ist zusammen mit einem Freund hier angekommen, wie ich dir bereits erzählt habe. Mannito, ein sehr netter Junge. Und sie haben ihre Pferde dabei, Silberstern und Ranja.“
„Annit hat ein Pferd?“, erkundigte sich
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