Silberstern Sternentaenzers Sohn 03- Reise in die Vergangenheit
„Irgendwo müssen sie ja stecken.“
War die weite Reise umsonst?
Mannito und Annit hatten den Nachmittag in Simitri damit verbracht, nach Menschen Ausschau zu halten, die Annit ähnlich sahen - ohne Erfolg. Aber auch wenn sie nichts erreicht hatten, so war es für Annit trotzdem ein gutes Gefühl gewesen, einmal selber etwas unternommen zu haben. Eigentlich hatte sie im Internet-Cafe noch nachschauen wollen, ob Carolin ihr gemailt hatte. Aber dafür war keine Zeit mehr geblieben.
Wie es Carolin wohl geht?, überlegte sie, als sie abends im Bett lag. Ob ich jemals wieder nach Lilienthal komme? Bei dem Gedanken verspürte sie fast ein bisschen Sehnsucht. Ja vielleicht, wenn ich meine richtigen Eltern nicht finde. Annit wusste, dass ihre Adoptiveltern überglücklich wären, wenn sie wieder zu ihnen zurückkäme. Sie seufzte laut auf. Ich hab ja selbst nicht die geringste Ahnung, wohin mein Weg mich noch führt. Aber irgendwann werde ich bestimmt wieder zu meinem früheren Zuhause zurückkehren. Ich will doch wissen, wie es allen dort geht.
Annit wollte sich gerade unter ihre Bettdecke kuscheln, als sie ein seltsames Geräusch vor ihrer Tür vernahm. Es klang wie ein Röcheln. Und sie hörte auch wieder die schlurfenden Schritte. Annit fixierte einen Moment erschrocken die Tür.
Dann nahm sie all ihren Mut zusammen, stand auf, öffnete die Tür und schaute in den Flur hinaus. Ganz hinten am Ende des Ganges erkannte sie eine dunkel gekleidete Gestalt. Vielleicht ist das der Mann, der sich mit Mariana gestritten hat?, dachte sie entsetzt. Und der vielleicht mein Vater ist?
Schnell wurde ihr allerdings klar, dass der fremde Mann viel größer war als die Person, die hier über den Flur huschte und nun gerade um die Ecke bog. Aber es interessierte Annit trotzdem brennend, wer das war. Denn irgendetwas stimmte hier nicht, da war sie sich sicher. Ohne weiter zu überlegen, lief sie den dunklen Flur entlang, um das Geheimnis zu lüften.
Aber als Annit um die Ecke schaute, war die geheimnisvolle Gestalt verschwunden - als wäre sie vom Erdboden verschluckt worden. Was hat das zu bedeuten? Wer geistert hier immer wieder nachts durch das Kloster und warum? Annit überlegte, ob sie Mannito wecken sollte, um ihm davon zu erzählen. Aber was sollte er machen? Es war ja niemand mehr da.
Schließlich kehrte Annit zurück in ihre Zelle. Auch wenn es ihr in dem Kloster gut gefiel, ein bisschen unheimlich war ihr nun doch zumute. Inzwischen gab es hier schon vier Menschen, die offensichtlich etwas zu verbergen hatten. Die Igoumeni, die mehr über ihre Eltern wusste, als sie zugab. Adelfi Mariana, die Annit schon zweimal im Traum erschienen war. Der Mann an der Klostermauer und die dunkle Gestalt, die nachts immer wieder durch das Kloster schlich.
Als sie am nächsten Morgen nach dem Frühstück ausritten, berichtete Annit ihrem Freund Mannito von dem nächtlichen Erlebnis. Sie hatten sich unter einen Feigenbaum gesetzt, während Silberstern und Ranja ausgelassen und mit großen Sprüngen über die Wiese vor ihnen jagten.
„Warum hast du mir denn nicht Bescheid gesagt?“, wollte Mannito wissen.
„Es ging ja alles so schnell“, erwiderte Annit. „Die Gestalt war plötzlich verschwunden, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Wie ein Gespenst.“ Sie schüttelte sich.
„Vielleicht sollten wir doch mal mit der Igoumeni darüber reden“, schlug Mannito vor. „Sie will doch ganz bestimmt wissen, was in ihrem Kloster vorgeht. Du könntest ihr das Taschentuch zeigen, das du vor deiner Tür gefunden hast. Könnte ja sein, dass sie weiß, wem es gehört.“
Annit nickte. „Ja, vielleicht.“ Nachdenklich strich sie eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und fuhr fort: „Meinst du wirklich, sie würde uns helfen? Sie hat ja auch versprochen, meine Mutter zu suchen. Aber bis jetzt ist noch überhaupt nichts passiert.“ Sie seufzte laut. „Und so schwierig kann das doch eigentlich nicht sein, wenn sie meine Mutter kennt“, sagte sie trotzig. „Vielleicht will sie mir ja gar nicht helfen.“
Annit konnte nicht wissen, dass die Äbtissin sich in den vergangenen Tagen in Gedanken viel mit Annit beschäftigt hatte. Gerade in diesem Augenblick, als sie den kleinen Klostergarten durchquerte, dachte sie wieder an das Mädchen aus Deutschland. Seit Annit sich in dem Kloster aufhielt, hatte die Igoumeni sie öfter heimlich beobachtet und gemerkt, dass sie oft
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