Silberstern Sternentaenzers Sohn 05 - Die alte Prophezeiung
zumute. Ihr Kopf schmerzte so, als habe sie ihn stundenlang unbedeckt der Mittagssonne ausgesetzt. Sie öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch dann schloss sie ihn wieder.
Aber der Stammesfürst wusste auch so, was sie fragen wollte. „Du willst wissen, ob das Pferd, das meine Vorfahren von diesem Züchter bekommen hatten, ein magisches Pferd war?“
Er hatte es ausgesprochen. Annit konnte nur noch nicken.
Ein Lächeln umspielte die Lippen des Stammesfürsten. „Meine Vorfahren waren gute Menschen, doch sie waren der Schriftsprache nicht mächtig. Sie wussten nicht, was auf dem Pergament notiert war. Sie haben es nur aufbewahrt, weil sie dachten, es würde etwas über den Besitz des Pferdes aussagen. Daher kann ich dir keine Auskunft geben. Ich weiß es nicht, Mädchen. Aber ja, möglicherweise war dieses Pferd ein magisches Pferd.“
Wie gebannt sah Annit den Stammesfürsten an. Er war eingehüllt in eine dichte Rauchwolke. Alles schien wie in einem Film aus Tausendundeiner Nacht. Doch es war kein Film - es war Wirklichkeit.
„Es war eine unsagbar stürmische Vollmondnacht. Über der Wüste tobte ein Unwetter, wie es in vielen, vielen Jahrzehnten nur ein einziges Mal geschieht“, erzählte der Stammesfürst weiter. „Ich hatte so etwas zuvor noch nie erlebt, ln dieser unheimlichen Nacht wurde meine Falak geboren. Sie war wunderschön, hell wie der Mond und hatte diesen kleinen schwarzen Stern auf der Stirn.“
Genau wie Sternentänzer, Carolins Pferd, dachte Annit atemlos.
„Lange glaubte ich, dass Falak eines dieser magischen Pferde sein könnte, von denen die Rede auf diesem Pergament war. Ich hoffte es, wartete ungeduldig.“ Wieder nahm er einen tiefen Zug aus seiner Wasserpfeife.
„Und?“, presste Annit hervor.
Der Stammesfürst blies den Rauch in die Luft. „Ich weiß es bis heute nicht. Es war mir leider nicht vergönnt, ihr Geheimnis zu entdecken.“
„Vielleicht hatte sie gar keines?“, vermutete Annit leise, mehr zu sich als zu ihm.
Der Stammesfürst blickte ihr in die Augen. Ganz tief, ganz lange. „Oh doch! Und auch dein Pferd besitzt ein magisches Geheimnis, und du kennst es.“
Annit schluckte, erwiderte aber nichts. Eine Weile herrschte ein Schweigen, das beinahe mit den Händen zu greifen war.
„Ich habe vom ersten Augenblick an gespürt, dass ihr beide, du und dein Pferd, zusammengehört“, erklärte der Stammesfürst dann. In seinen Augen war wieder dieses geheimnisvolle Glitzern. „Und ich habe sofort gewusst, dass es sich dir anvertraut hat. Dass du seine Magie nutzen kannst.“
Annit öffnete den Mund, schloss ihn wieder und zuckte hilflos mit den Achseln. Dann wandte sie hastig ihren Blick ab. Mit einem Mal hatte sie das Gefühl zu ersticken, sie sprang auf und stürzte nach draußen.
Annit enthüllt das Geheimnis
In darauffolgenden Nacht machte Annit kein Auge zu. Irgendwann stand sie leise auf und schlich sich nach draußen. Während die Tage in der Wüste brennend heiß waren, konnten die Nächte richtig kalt werden. Dies war eine von den richtig kalten Nächten. Annit kuschelte sich in ihren Pullover und tapste durch die Wüste. Immer wieder murmelte sie dabei die Worte vor sich hin, die auf dem Pergament standen. „Die Macht der magischen Pferde wird Gutes bewirken, wenn ihre Besitzer reinen Herzens sind. Wer Gutes im Sinne hat, dem wird auch Gutes widerfahren. Wessen Herz aber böse ist, dem kann das Gute zum Bösen werden. Die Macht der magischen Pferde wird sich dann sehr rasch zum Bösen wenden.“
„Irgendwie weiß ich mehr, aber irgendwie doch nicht! Aber vor allem weiß ich jetzt gar nicht mehr, was ich tun soll“, sagte sie leise. Sie hob den Kopf und blickte in den Sternenhimmel. Inmitten der vielen funkelnden Sterne hing prall und dick der Vollmond. Nachdenklich betrach tete sie ihn. Ob Caro heute wohl ausreitet? Ob ihr Sternen tänzer beim nächsten Vollmondritt wieder die Vision von mir und Silberstern in einem arabischen Land schickt? Wir sind ja nun hier. Aber was kommt als Nächstes? Wie soll es weiter gehen? Das Pergament hat uns nicht wirklich weitergeholfen. Der Beduine hat zwar versprochen, dass er mir helfen will. Aber kann ich ihm wirklich trauen?
Das Gesicht des Stammesfürsten tauchte vor Annits geistigem. Auge auf. Sie hörte seine tiefe, dunkle Stimme. Obwohl er ihr anfangs unheimlich gewesen war, spürte sie ganz plötzlich, dass sie ihm vertrauen konnte. Er
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