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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F E Higgins
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wie ich selbst, tat genau das. Sie hob die Hand, um ihrem armen Henry über die Wange zu streichen.
    »Ich verzeihe dir«, sagte sie, dann ließ sie ihre Hand zurück auf das Polster sinken. Als der junge Mann nun wieder von unkontrolliertem Schluchzen geschüttelt wurde, warf Mr Pantagus Juno einen etwas besorgten Blick zu. Behutsam zupfte sie Mr Belding am Ärmel.
    »Es ist vorüber, wir müssen gehen«, sagte sie ruhig, aber bestimmt. »Länger zu bleiben, wäre gewagt. Wenn man uns entdeckt …«
    »Natürlich«, sagte er und schluckte.
    Mr Pantagus öffnete die Tür und frische kalte Luft strömte herein. Juno dirigierte Mr Belding zu Mr Pantagus hin, der ihn zur Tür hinausschob. Sie tat, als folge sie den beiden, doch plötzlich machte sie noch einmal kehrt, ging durch den Raum, trat an meine Bank und blickte in meine starren Augen. Sie war so nahe, dass ich ein Wimpernhärchen auf ihrer Wange erkennen konnte. Ich erinnere mich, dass sie nach Wacholder roch; aber dann war sie verschwunden.

Kapitel 7

    Kein schlechtes Gewerbe
    J
uno stand an dem kleinen Fenster, durch das Tageslicht in ihr Zimmer fiel.
    Viel Licht gibt es nicht in dieser Stadt, dachte sie traurig, während sie auf den grauvioletten Himmel hinausschaute. Urbs Umida lag schon seit Stunden in tiefer Nacht. Ab und zu kam der Mond hinter den Wolken hervor, verbarg sich jedoch immer schnell wieder, als könne nicht einmal er es ertragen, auf diese Stadt hinunterzublicken. Es schneite wieder. Durch das Fenster spürte Juno einen eisigen Luftzug hereindringen, deshalb klappte sie die Läden zu und legte eine Holzlatte vor. Nun kam das einzige Licht im Raum vom Kaminfeuer neben dem Bett und von den beiden Kerzen an den gegenüberliegenden Wänden.
    Juno legte ihren Umhang ab und hängte ihn an einen Nagel an der Tür, dann ging sie zum Feuer und streckte ihre zitternden Hände über die Flammen. Mehrmals machte sie Anstalten, sich umzudrehen, hielt aber immer wieder mitten in der Bewegung inne, bis sie sich schließlich doch wie von selbst auf den Boden niederließ und mit einem Griff unter dasBett einen kleinen braunen Lederkoffer hervorzog. Sie nestelte an den Schnallen, doch ehe sie sie öffnen konnte, klopfte es an der Tür und sie fuhr erschrocken zusammen. Schuldbewusst schob sie den Koffer zurück, erst dann rief sie: »Ja, bitte!«
    Ein alter Mann streckte den Kopf zur Tür herein. Sein Gesicht war grau und fahl, und unter den Augen lagen dunkle Ringe.
    »Benedict«, rief Juno. »Du siehst entsetzlich aus!«
    »Vielen Dank«, sagte er und lachte mühsam, während er ans Feuer trat und sich auf den Stuhl setzte. »Es sind die Stufen«, sagte er. »Die sind noch mal mein Tod.«
    »Vielleicht kann ich dir was geben. Ich habe viele Heilmittel …«
    Benedicts Blicke wanderten zum Bett hin, unter dem noch eine Ecke des Koffers zu sehen war. Er zog die Brauen hoch. »Danke, nein«, sagte er. »Gegen meine Beschwerden gibt’s kein Mittel; kein Kraut hilft gegen das Vergehen der Zeit. Und du, du verlässt dich zu sehr auf sie.«
    »Schimpf nicht mit mir«, fing Juno an, aber Benedict wurde ohnehin von einem solchen Hustenanfall geschüttelt, dass er erst nach einer Weile wieder sprechen konnte.
    »Das Wetter ist schlechter geworden.«
    Juno lächelte. »Bist du deshalb heraufgekommen? Um über das Wetter zu reden?«
    »Nein. Es ist etwas anderes. Etwas Wichtiges.«
    »Ich glaube, ich weiß es«, sagte sie ruhig.
    »Ich bin kein gesunder Mann mehr, Juno. Für mich ist’s ander Zeit, mit all diesem Umherziehen aufzuhören. Das liegt nun hinter mir. Ich habe ein bisschen Geld gespart, genug, um halbwegs davon leben zu können, und für dich habe ich auch etwas.«
    Juno schüttelte den Kopf. »Ich will dein Geld nicht.«
    »Es ist nicht meins«, sagte er. »Es ist unseres. Du hast dafür genauso viel getan wie ich, wenn nicht mehr.« Er lachte. »Wo wäre ich schließlich ohne meine Helferin? Ich, Benedict Pantagus, ein unbedeutender Knochenmagier und Totenerwecker.«
    Juno wollte widersprechen, doch Benedict bedeutete ihr zu schweigen. »Du könntest natürlich bei mir bleiben«, sagte er, doch Juno hörte aus seiner Stimme, dass er fand, sie solle sich lieber anders entscheiden. »Aber du bist noch jung. Du solltest aus dieser grässlichen Stadt weggehen.«
    »Und was ist mit Madame de Bona?«
    »Nimm sie mit«, sagte Benedict. »Sie hat dir gute Dienste geleistet. Es ist kein schlechtes Gewerbe. Du kannst dir jemand anders suchen, der dir

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