Silbertod
hilft.«
»Kein schlechtes Gewerbe?«, sagte Juno und lachte kurz auf. »Bist du wirklich dieser Meinung?«
»Du etwa nicht?« Benedict schien gekränkt.
»Es hat nichts mit dir zu tun«, versicherte Juno eilig. »Es liegt an mir. Unsere Vorstellungen sind so erfolgreich wie immer. Diese Leute aus Urbs Umida haben anscheinend einen unstillbaren Hunger nach Madame de Bonas Prophezeiungen. Nur manchmal …« Sie stockte.
Benedict nickte. »Ich verstehe dich. Es ist kein leichtes Leben, aber vergiss nicht, du und ich, wir geben diesen Leuten etwas, das ihnen wichtig ist.«
»Aber manche von ihnen leiden«, sagte Juno. »Sie stellen Fragen, die sie wirklich quälen.«
»Und wir befreien sie von dieser Qual.«
»Vielleicht.«
»Gehen sie nicht jedes Mal glücklich weg?«
Nachdenklich kaute Juno auf ihrer Lippe. »Ja, und um ein Sixpencestück ärmer. Geld, das sie sich kaum leisten können.«
Benedict sah sie an, dann sagte er leise: »Menschen brauchen Trost und Hilfe, gleichgültig in welcher Form. Manchmal frage ich mich, Juno, wie du überleben willst – du hast so ein weiches Herz.«
»Das finde ich gar nicht«, erwiderte Juno leicht betroffen, doch nicht von seinen Worten, sondern von dem Umstand, dass er näher an der Wahrheit war, als er ahnte.
»Dieses Gespräch hatten wir früher schon«, sagte Benedict mit Bestimmtheit. »Wir sind weder Betrüger noch Taschendiebe, die auf der Straße herumlungern. Immerhin geben wir den Leuten etwas für ihr Geld.«
Juno schwieg. Benedict betrachtete sie eine Weile aufmerksam. »Weißt du, Juno, ich glaube, du bist in Gedanken bei ganz anderen Dingen.«
»Mag sein«, räumte sie ein. »Und ich denke, es ist vielleicht an der Zeit, dass ich mich mehr um diese Dinge kümmere.«
Benedict stand auf und nahm ihre Hand. Seine Knöchel waren rot und geschwollen, und auf seinen Wangen branntentiefrote Flecken. »Wenn dir das wirklich wichtig ist, werde ich dich nicht zurückhalten. Aber vielleicht bin ich dann nicht mehr bei dir, deshalb erlaube mir wenigstens, dir zu helfen. Nimm das Geld.«
Juno lächelte. »Du hast schon genug für mich getan. Du hast mich von Anfang an vor dieser Stadt beschützt.«
»Dasselbe könnte ich von dir behaupten. Egal. Denk nach über das, was ich dir gesagt habe. Du musst jedenfalls nicht aufgeben; du hast die Wahl. Nur bedenke es gründlich, ehe du dich entscheidest.«
Juno nickte. »Und was ist mit dir? Wirst du wieder zu Kräften kommen?«
»Mir wird es gut gehen, sobald ich mich ausgeruht habe«, sagte Benedict, ihre Frage absichtlich missverstehend. Er drehte sich zur Tür um und warf Juno noch einen kritischen Blick zu. »Aber du musst dich auch ausruhen. Diese Stadt laugt die Menschen aus.«
Er ging und Juno wandte sich wieder dem Feuer zu. Benedict hatte ihr nur gesagt, was sie bereits wusste. Er brauchte Ruhe, regelmäßig zu essen und eine Bleibe für den Winter. Einen besseren Ort als Mrs Hoadswood’s Pension würde er nicht finden. Doch Juno ließ die Vorstellung, in Urbs Umida zu bleiben, das Blut in den Adern stocken.
»Ich muss hier weg!«, sagte sie entschieden.
So stand sie eine Weile tief in Gedanken versunken. Die Vorstellungen mit Madame de Bona waren im Grunde genommen nicht so schlecht – zweifellos konnten sie als Unterhaltung durchgehen –, aber diese geheimniskrämerischenTotenerweckungen, das war etwas ganz anderes. Sie bereiteten ihr großes Unbehagen. Die Sache mit Sybil hatte sie gar nicht machen wollen, aber Benedict hatte sie überredet. Sie dachte an den Jungen, den sie unter Drogen gesetzt hatten. Jemanden zu verletzen war nie ihre Absicht gewesen. Sie konnte seine Augen nicht vergessen, eins grün, eins braun.
Juno ging im Zimmer auf und ab. In ihrem Kopf begann ein schwerer Kampf. Wieder zog sie den Koffer hervor und legte ihn vor dem Feuer auf den Boden. Sie hatte bereits die Riemen gelöst, da stand sie noch einmal auf und trat ein paar Schritte zurück, doch den Koffer ließ sie dabei nicht aus den Augen. Schließlich stieß sie einen gequälten Seufzer aus, kehrte um, schlug mit zitternden Händen den Deckel zurück und holte tief Luft, als sie die Reihe der Päckchen und Töpfe darin begutachtete.
Da gab es Tonkrüge und gewachste Baumwollsäckchen, zugekorkte Glasflaschen, weiche Lederbeutel und bauchige Henkelgefäße mit Stöpseln. Juno strich mit den Fingern über die verschiedenen Sachen, dann nahm sie einen kleinen hölzernen Mörser mit Stößel heraus. Rasch und mit
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