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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F E Higgins
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auch das achte – das letzte Opfer, das explodierte – war ein unbedeutender Mann.
    Soweit ich verstehe, hält unser geschätzter Wachtmeister George Coggley die Morde für willkürliche Taten, Pech eben für das Opfer, und bisher hat er noch keine Verbindung zwischen den acht Toten hergestellt. Ich glaube jedoch, dass es einen Zusammenhang geben muss. Und ich möchte sogar so weit gehen, zu behaupten: Wenn es uns gelingt, dieses fehlende Verbindungsglied zu finden, dann können wir diesen grässlichen Gewalttaten Einhalt gebieten.
    Meine Frage ist nun folgende: Tun die betreffenden Menschen unwissentlich etwas, das ihnen der Mörder übel nimmt? Führen sie damit ihr tragisches Ende unbeabsichtigt selbst herbei? Ich möchte sogar ganz unverblümt fragen: Haben sie ihr Schicksal etwa selbst verschuldet ?
    Ich schließe mit einer erstaunlichen Nachricht. Aus einer meiner Quellen habe ich erfahren, dass in der vorgestrigen Nacht eine neue Tat des Silberapfel-Mörders vereitelt worden ist. Das Opfer, ein junger Bursche, befand sich bereits in seinen Händen. Der Junge wurde in den Fluss gestoßen, und zweifellos rasten ihm die letzten Gedanken durch den Kopf, während er stürzte und sich auf den tödlichen Moment des Eintauchens gefasst machte. Doch Fortuna, die launischste aller Gebieterinnen, war mit ihm, denn der Junge landete nicht im Wasser, sondern auf der soeben zugefrorenen Oberfläche. Wer hätte gedacht, dass exakt in dem Moment, in dem sich das Eisüber dem Fluss schloss, ein Junge darauffallen würde? Nur wenige Sekunden früher, und er wäre darunter gefangen gewesen. Was so leicht sein Ende hätte sein können, wurde ihm zur Rettung. Des einen Freud, des anderen Leid. Und wenn dem Jungen das Glück zu Hilfe kam, welche gegensätzliche Macht war dann mit dem Mörder? Wie es so schön heißt: Es lässt sich an allem auch etwas Gutes finden.
    Bis zum nächsten Mal,
    Deodonatus Snoad
    Deodonatus rieb sich über den Kopf. Er fühlte sich müde in diesen Tagen, körperlich und seelisch erschöpft. Die zwei beschriebenen Seiten in der Hand ging er zum Feuer. Aus einer Kanne, die er neben dem Kamin aufbewahrte, goss er sich einen Krug Bier ein, setzte sich und betrachtete nachdenklich sein hässliches Gesicht. Urbs Umida. Er hatte die Stadt zu seinem Zuhause gemacht und sie hatte gut für ihn gesorgt. Dennoch verachtete er ihre Bewohner, jeden Einzelnen von ihnen. Denn was sie auch sagen oder tun mochten, er wusste, wenn sie ihn zu sehen bekämen, würden sich seine »verehrten Leser« genauso entsetzt von ihm abwenden wie alle, denen er in seinem Leben begegnet war.
    »Sie verdienen den Silberapfel-Mörder«, sagte er mit wohlbedachter Boshaftigkeit.
    Deodonatus schüttelte heftig den Kopf, um derartige Gedanken zu vertreiben, erreichte damit jedoch kaum mehr,als dass sich das Dröhnen in seinem Schädel verschlimmerte. Seufzend blickte er auf die Seiten, die er eben geschrieben hatte. Während er sie durchlas, huschte ein seltsamer Ausdruck über sein Gesicht, so als sei ihm soeben etwas sehr Naheliegendes klar geworden.
    »Sie werden es nie lernen«, murmelte er. »Sie haben Ohren und hören doch nicht.« Das galt heute genauso wie in dem Jahrhundert, als Aischylos diese Worte geschrieben hatte.
    Deodonatus trank sein Bier aus und räumte flüchtig sein Zimmer auf, wobei er ein kleines Gefäß auf seinem Schreibtisch umstieß. Er fluchte, unternahm aber nur eine halbherzige Anstrengung, um die Pfütze aufzuwischen. Dann setzte er sich wieder, holte seine Uhr aus der Tasche und sah nach der Zeit. »Hmm«, überlegte er laut. »Nicht mehr lange.«
    Er streckte die Hand aus und nahm sein Buch Houndseckers Märchen von Feen und Frohnaturen vom Kaminsims. Es öffnete sich von selbst auf einer viel gelesenen Seite:
    Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin, die alles besaß, was eine Prinzessin sich nur wünschen konnte …

Kapitel 29

    Pins Tagebuch
    Es ist spät nach Mitternacht, aber ich muss das jetzt und auf der Stelle schreiben. Es handelt sich nämlich um ein Geständnis. Heute Abend habe ich etwas gemacht, das mir keine Ruhe lässt, weil es mit Täuschung und Verstellung zu tun hat. Zugegeben, ich scheue davor zurück, es niederzuschreiben, aber dieses Tagebuch soll meine Geschichte erzählen, meine ganze Geschichte und nicht nur die Teile, die ich andere gern lesen lassen würde.
    Seit ich vor ein paar Tagen auf der Eisschicht des Foedus gelandet bin und zufällig den Fängen des

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