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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F E Higgins
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mir gehen darf.«
    »Verstehe«, kam Benedicts Antwort. »Nun, er ist ein guter Junge, zuverlässig und fleißig.«
    Junos Reaktion hörte sich so an, als sei sie sich dessen nicht sicher. »Meine Befürchtung ist nur, dass er mich aufhalten wird. Wenn ich hier weggehe, dann, weil ich etwas Bestimmtes suche.«
    »Mir scheint«, sagte Benedict langsam, »ihr seid beide auf einer ähnlichen Suche.«
    Ich hörte das scharrende Geräusch eines Stuhles, der zurückgeschoben wird, und ahnte, dass jeden Moment jemand heraufkommen würde. Deshalb schlich ich die Treppe hinauf in mein Zimmer. Kurz danach hörte ich Junos Tür, und bald konnte ich auch riechen, dass sie Kräuter verbrannte – nicht die Sorte zum Einschlafen, sondern die zum Beruhigen. Manche der Mischungen kenne ich inzwischen ganz gut.

    Ich bezog gegen neun Uhr Position vor dem »Flinken Finger«, und gerade als es halb zehn schlug, öffnete sich die Tür zu der engen Seitengasse und heraus kamen Juno und Benedict. Vorsichtig folgte ich ihnen über die Brücke. Wie angenehm, die saubere Luft am nördlichen Flussufer einzuatmen und auf so breiten, gut beleuchteten Straßen zu gehen! Leider war es nicht ganz einfach, sich immer in Deckung zu halten, und so musste ich ziemlich weit zurückbleiben. Es dauerte nicht lange, da klopfte Juno an die glänzende Tür eines großen Hauses, das am Rand eines gepflegten Platzes stand.
    Ich spitzte die Ohren und hörte einen kurzen Wortwechsel, bevor sie eingelassen wurden. Dies alles machte einen viel seriöseren Eindruck als die Geschichte mit Sybil – immerhin verschafften sie sich auf legale Weise Zutritt. Doch wie sollte ich ins Haus kommen? Bestimmt nicht in ihrem Schlepptau. Ich schlich die eiserne Kellertreppe hinunter, und wie es das Glück wollte, erschien gerade ein Küchenmädchen mit einem Kohleneimer. Ich versteckte mich, und kaum hatte sie angefangen, im Kohlenkeller zu rumoren, ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf und huschte ins Haus.
    Ich fand mich in einem schmalen Gang direkt vor einer aufwärts führenden Treppe wieder, die Küche vermutete ich am anderen Ende des Ganges. Noch bevor ich Benedicts spitze Schuhe oben an der Treppe auftauchen sah, hörte ich das leise Rascheln der Quasten daran und schlüpfte schnell hinter eine Tür zu meiner Rechten. Wieder hatte ich Glück, denn im Licht der an den Wänden befestigten Kerzen erkannte ich, dass ich genau in dem Raum gelandet war, in dem die Leicheaufgebahrt lag. Dann hörte ich Stimmen näher kommen. Ich schaute mich hastig um, sah eine große Truhe an der Wand stehen und versteckte mich darin. In diesem Moment wurde die Tür langsam geöffnet.
    In der Truhe lagen Decken und Tücher, so bot sie ein ganz bequemes Versteck. Ich drückte das lockere Holz aus einem Astloch heraus und konnte auf diese Weise nun sehr gut sehen, was im Raum vorging. Ich suchte mir eine gute Position mit meinem grünen Auge dicht am Loch und war fest entschlossen, genau zu beobachten, wie Benedict sein Wunder vollbrachte. Der Tote, ein alter Mann, lag direkt vor mir auf einem Tisch. Nun wurden Benedict und Juno von zwei schwarz gekleideten jungen Männern hereingeführt. Ihnen folgte eine ältere Frau, ebenfalls in Trauerkleidung. Nach den dunklen Brauen und den weit auseinanderliegenden Augen der drei Personen zu urteilen, waren sie Mutter und Söhne. Sie schienen ganz guter Dinge zu sein, wenn man die Umstände bedachte, und lachten und scherzten sogar ein wenig. Trauer wirkt sich bei jedem Menschen anders aus, so viel hatte ich bei Mr Gaufridus gelernt, aber irgendetwas an diesem Trio war mir unangenehm. Ich hatte das Gefühl, dass hier nichts so war, wie es schien.
    Zuerst lief alles so ab wie erwartet. Benedict und Juno nahmen ihre Plätze ein. Sie hatten glänzende Oberlippen von der Salbe, die sie daraufgestrichen hatten. Und bald drang der Duft von Junos Mittel in dem Fläschchen bis in mein Versteck herein, wenn auch nur sehr, sehr schwach. Weil ich auf alle Fälle einen klaren Kopf behalten wollte, band ich mir ein leinenes Tuch um Mund und Nase und war von der hemmendenWirkung angenehm überrascht. Junos Duftmittel zum Rufen der Toten hatte ich schon immer übermäßig süß gefunden. Benedict hob die Arme und begann seine mir inzwischen vertraute Rede. Ich muss sagen, sie spielten ihre Rollen gut, die beiden. Benedicts Gewand und seine Haltung gaben ihm etwas beinah Königliches, und Junos ruhige Bewegungen verliehen dem Anlass die entsprechende Würde und

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