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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F E Higgins
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Feierlichkeit.
    Ich beobachtete das Trio der Zuschauer und fand, dass sie weniger nervös als vielmehr ungewöhnlich gespannt auf den Beginn des Ganzen zu warten schienen. Benedict beendete seinen magischen Sprechgesang und ich wartete ungeduldig auf die Wirkung. Die Jungen und ihre Mutter schienen ganz fasziniert von ihrem toten Vater und Ehemann, doch zu meiner Überraschung rührte sich die Leiche nicht. Benedict sah aus, als wollte er eben etwas sagen, doch bevor er dazu kam, sprang der kleinere der beiden jungen Kerle vor, packte seinen Vater grob bei den Schultern und fing an, ihn zu schütteln.
    »Wo ist es, du gemeiner alter Bock?«, fragte er schroff. »Sag schon, wo du’s versteckt hast!«
    Juno und Benedict wechselten entsetzte Blicke, und dann hörte ich Juno ganz deutlich sagen: »Was meint Ihr?«
    »Das Geld«, sagte der zweite Sohn und sah sie nicht einmal an. »Unser Erbe.« Er trat an den Tisch und gab dem Toten ebenfalls einen derben Stoß.
    »Ich weiß nicht, wovon Ihr redet«, sagte Juno entschieden.
    Ich dagegen wurde allmählich unruhig. Die zwei Söhne wurden zunehmend brutaler, und ihr Vater sah inzwischen ziemlich unordentlich aus. Sein Haar, zuvor gekämmt und eingeölt,war jetzt völlig zerzaust, und Kragen und Krawatte hatten sich gelöst. Ein Arm hing über die Tischkante herunter. Mr Gaufridus wäre schrecklich aufgebracht gewesen, einen seiner geschätzten Kunden in derartiger Verfassung zu sehen, und mit »Kunden« meine ich den Toten. Mir war schon früh aufgefallen, dass Mr Gaufridus sich viel mehr Zeit für die Toten als für die Lebenden nahm. Ich persönlich hatte noch nie einen so offenen Wutausbruch gegen einen Menschen erlebt, ob tot oder lebendig.
    Schließlich schritt Benedict ein. »Bitte, meine Herrn«, sagte er fest, »ich muss Euch bitten, dieses Verhalten zu unterlassen. So geht das nicht …«
    »Zurück, Alter!«, sagte der erste Sohn, während er nach dem Jackenkragen seines Vaters griff und noch einmal fordernd rief: »Sag schon, wo’s ist!«
    Aber der Tote schwieg hartnäckig.
    »Warum will er es uns nicht sagen?«, fragte die Mutter, und ihr Ton klang merkwürdig drohend für ein so gebrechlich wirkendes Wesen. Sie trat einen Schritt auf Benedict zu und richtete vorwurfsvoll den Finger auf ihn. »Habt Ihr nicht gesagt, Tote müssen die Wahrheit sprechen?«
    »Ja, ich weiß«, sagte Benedict. »Aber so darf man nicht mit ihnen umgehen. Die Toten muss man achten.«
    »Die Toten achten?«, kreischte sie. »Hier liegt irgendwo ein Vermögen in Goldstücken versteckt, und dieser geizige Schuft ist gestorben, ohne uns zu sagen, wo! Und das ist alles, was Ihr dazu sagen könnt?«
    Inzwischen galt Benedicts Sorge weniger dem Toten als denLebenden, speziell sich selbst und Juno, die ihn nachdrücklich am Arm zog.
    »Komm, wir gehen«, drängte sie flüsternd. »Sofort!«
    Ich beobachtete mit zunehmendem Schrecken, wie die beiden aus dem Zimmer eilten.
    »Durchtriebenes Südstadtpack!«, schrie die Mutter und rannte hinter ihnen her zur Tür. »Ich wusste gleich, dass man euch nicht trauen kann. Glaubt bloß nicht, dafür werdet ihr auch noch bezahlt! Wir könnten euch wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen verklagen!«
    Wie gern hätte ich mich ebenfalls davongemacht! Stattdessen lag ich halb tot vor Angst in dieser Truhe. Die beiden Söhne hatten anscheinend begriffen, dass sie auch durch noch so heftiges Schütteln nichts über das Goldversteck in Erfahrung bringen würden. Sie traten zurück und fingen über ihren zerzausten Vater hinweg zu streiten an.
    »Wusste ja gleich, dass es nicht funktionieren würde!«
    »Aber es war doch deine Idee!«
    »Was!«
    Wie zu erwarten, kam es nun zu Handgreiflichkeiten, und ich konnte weiter nichts tun als abwarten. Die Brüder prügelten sich eine Ewigkeit, so kam es mir zumindest vor. Einmal kullerten sie gegen die Truhe und schoben sie dadurch weiter nach hinten. Sie waren unfaire Kämpfer, zogen sich gegenseitig an den Haaren, verteilten Schläge unter die Gürtellinie und schüttelten einander auf übelste Weise. Als ich schon dachte, jetzt käme es gleich zu Blutvergießen, zog ihre Mutter sie endlich auseinander und verpasste dabei jedem eine schallendeOhrfeige. Schließlich verließ das Trio unverrichteter Dinge den Raum.
    Ich weiß nicht, wie lange ich noch in dieser Truhe liegen blieb, wie gelähmt vor Angst, sie könnten zurückkommen. Als ich endlich den Mut aufbrachte, mein Versteck zu verlassen, schoss ich die Treppe

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