Silence
Giovanni noch einmal nahe zu sein. Vielleicht war der Tod schon nah.
Von der steinernen Treppe her hallten Schritte. Ich sprang von meinem Bett auf, in der Hoffnung, dass meine zwei Lieblingsvampire endlich von ihrer Jagd zurückgekommen waren. Leider war es nur eine Dienerin, die einen Karton trug.
»Ah«, machte Dante, als er die Dienerin sah. »Celeste bringt das Essen für einen hungrigen Wolf.«
Celeste war eine dunkelhäutige Schönheit, der man nicht angesehen hätte, dass sie kein Mensch war, wenn nicht zwei gefährlich spitze Eckzähne zwischen ihren Lippen aufgetaucht wären bei Dantes Bemerkung.
Enttäuscht ließ ich mich zurück auf das Bett sinken. Durch das kleine Fenster konnte ich sehen, dass der Himmel draußen langsam grau wurde. Meine Vampire waren jetzt schon seit Stunden unterwegs. Ein wenig egoistisch war ich wütend auf Giovanni, dass er mich so lange allein mit Dante ließ.
Dante sperrte die Gittertür auf und schob den Pappkarton in meinen Käfig.
»Komm iss was, Kleine. Du solltest darauf achten, dass du nicht zu hungrig wirst. Nicht dass du Appetit auf ein bisschen Dante bekommst.«
»Selbst wenn die Hölle zufriert, ich würde meine Zähne niemals in dich reinschlagen«, sagte ich bissig.
»Da bin ich aber froh«, sagte Dante lachend.
»Obwohl, wenn es hieße; du oder Giovanni, dann würde ich dir den Vortritt lassen«, fügte ich mit einem zuckersüßen Lächeln hinzu.
»Du enttäuschst mich. Ich war überzeugt, da wäre mehr als bloße Feindschaft zwischen uns.« Dante stand am Gitter, beide Hände umfassten eine rostige Eisenstange.
Langsam schritt ich auf den Karton zu. Ich bückte mich danach, sprang aber stattdessen mit einem hohen Satz auf Dante zu und knurrte ihn aus tiefster Kehle an. Dieser stürzte erschrocken rückwärts und landete hart auf der Pritsche. Mit den Händen suchte er nach dem Gewehr. Als er es gefunden hatte, hielt er es mit dem Lauf in meine Richtung. Ich drehte mich mit einem letzten Grinsen um, hob die Kiste mit dem Essen auf und schlenderte gemächlich zu meiner Liege zurück.
»Angst vor einem kleinen Mädchen?«, verhöhnte ich den Muskelberg, der sich hinter seiner Waffe versteckte.
»Nicht vor dem Mädchen. Vor dem Wolf«, knurrte Dante.
»Und da heißt es, ihr seid so viel stärker als wir«, sagte ich sarkastisch.
Dante murmelte etwas Unverständliches und stellte das Gewehr griffbereit neben sich.
In der Kiste befand sich nicht nur zu essen. Jemand hatte auch ein Buch mit dem vielsagenden Titel »Wenn der Sarg zuklappt, ist alles zu spät« beigelegt. Wohl ein Scherz, der auf meine Kosten gehen sollte. Ich legte das Buch beiseite und widmete mich der Cosmopolitan und dem Grillhähnchen.
Dante murmelte etwas von Ablösung, die wahrscheinlich schon längst hätte da sein sollen. Ich konnte ihn verstehen. Mir fiel hier auch langsam die Decke auf den Kopf. Zumindest wusste ich jetzt, was die wilden Zootiere in ihren Käfigen dazu bewog, hin und her zu tigern – für Stunden, für Tage, für ein ganzes gefangenes Leben lang.
Als Giovanni gefühlte Stunden später noch immer nichts von sich hören ließ, überkam mich ein ungutes Gefühl. Ich kannte ihn noch nicht lange, aber ich war überzeugt, dass er mich nicht ohne guten Grund so lange allein lassen würde. Das passte nicht zu dem Retter in ihm.
Eingesperrt in einer Zelle können einen die zweifelhaftesten Vorahnungen beschleichen. Und Dantes angespannt hungrige Miene half mir auch nicht dabei, mich zu beruhigen. Der Vampir sah blass und ausgemergelt aus. Bewundernswert, wie schnell ein Vampir an Gewicht verlor, wenn er hungerte. Dantes Gesicht wirkte fahl und eingefallen und seine Augen noch dunkler als gewohnt. Und diese dunklen Augen ruhten auf mir. Nervös knibbelte ich auf meiner Unterlippe herum. Vielleicht sollte ich ihn e twas ablenken von seinem Hunger?
»Was glaubst du? Da stimmt doch etwas nicht?«
»Das kann ich nur bestätigen«, knurrte der Vampir angestrengt.
»Du könntest ja mal nachschauen. Ich komme ein paar Minuten alleine klar. Es ist ja nicht so, dass ich hier weg kann.«
»Vincenzo hat befohlen, dich nicht aus den Augen zu lassen. Selbst wenn ich wollte, ich kann mich den Befehlen meines Meisters nicht widersetzen.«
»Hmm«, machte ich und stand vorsichtig von meiner Pritsche auf.
»Wie ist das eigentlich? Musst du jeden Befehl deines Meisters bedingungslos ausführen? Hast du keinen eigenen Willen?«
Ich gab der Frage einen beißenden Unterton, aber im
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