Silence
entschied mich für das Wesen links der Gruppe. Etwas in mir nannte es Ermano. Er war kleiner als die anderen, stand etwas abseits. Blut lief seinen Arm hinunter und tropfte von den Fingern auf das saftige Gras unter ihm. Tief sog ich den süßen Duft des Blutes ein. Wieder begann die Gruppe mit ihrem geschmeidigen Tanz. Bewegte sich mal in die eine Richtung, mal in die andere. Giovanni brach aus dem Reigen aus, sprang auf Vincenzo zu und führte einen Hieb mit seinem Schwert aus, der dazu gedacht war dem Clanführer den Kopf von Hals zu trennen. Dieser lachte noch im Ducken höhnisch auf, verschwand abermals und erschien hinter Giovanni wieder, wo er sein Schwert mit einem kräftigen Stoß durch dessen Rücken trieb. Die blutige Spitze ragte zu Giovannis Brust wieder heraus.
Dieser Anblick schockierte mein menschliches Ich so tief in der Seele, dass der Mensch in mir das Tier zurückdrängte. Ich konnte spüren, wie die Rückverwandlung langsam und qualvoll einsetzte. Wie sich das Wolfsfell in meinem Nacken sträubte und ein Heulen in meiner Kehle aufstieg, das zu einem menschlichen Schrei wurde, als Giovanni vor meinen Augen zusammenbrach. Ich versuchte verzweifelt die Wandlung zu blockieren, weil ich dafür jetzt keine Zeit hatte. Ich musste zu Giovanni. Mein Herz hieb panisch gegen meine Brust und ein Zittern durchfuhr meine Glieder. Ich fühlte, wie mein Körper von Kraftlosigkeit und bleierner Schwere übermannt wurde.
Zweige knackten im nahegelegenen Wald dann durchbrachen mehrere Vampire die Grenze und traten auf die Wiese. Ich erkannte einige Gäste vom Maskenball und ein paar der Männer, die für Vincenzo arbeiteten. Als sie Vincenzo in Bedrängnis sahen, stürmten sie auf die Kämpfenden zu. Jemand schoss mit einer Armbrust auf Ermano, erwischte aber den fremden Wolf, der sich schützend vor den Vampir warf. Der Wolf jaulte auf, riss mit seiner Schnauze den Bolzen aus seiner Seite und schleuderte ihn wütend ins Gras. Blut tropfte in sein Fell und verfärbte es.
Aus dem Wald ertönte ein weiterer Wolfsruf. Jemand versprach dem verwundeten Tier Hilfe. Ich konnte tatsächlich verstehen, was der Wolf geantwortet hatte. Und die Hilfe kam. Sechs Wölfe sprangen auf die kämpfenden Vampire zu. Plötzlich herrschte ein wahlloses Durcheinander auf dem Rasen des Herrenhauses. Vampire, die gegen Vampire kämpften, Werwölfe, die gegen Vampire kämpften und in mir der Wolf machte sich bereit, sich in den Kampf zu stürzen. Nur waren Tier und Mensch sich nicht einig, wen sie mit Klauen und Zähnen attackieren sollten. Das Tier wollte sich dem Rudel anschließen und die Vampire töten. Der Mensch wollte nichts dringender, als Ermano und Giovanni zu retten.
Ich setzte zum Sprung an und stockte, als zwei Werwölfe sich auf den am Boden liegenden Giovanni stürzten und ihn attackierten. Sie rissen und zerrten an ihm. Blut quoll aus unzähligen Wunden. Ermano wollte ihm helfen, wurde aber von Vincenzo angegriffen, der mit seinem Schwert auf ihn eindrang. Das letzte, was ich sah, bevor Schwärze über mich hereinbrach, als mein Körper sich zurückverwandelte, war Giovanni, der reglos am Boden lag, die weit aufgerissenen Augen auf mich gerichtet, der Körper über und über blutbefleckt.
24. Kapitel
Es war nicht Lärm, der mich weckte, sondern absolute, erdrückende Stille. Da gab es kein Vogelgezwitscher, das von draußen hereindrang. Keine Geräusche von vorbeifahrenden Autos. Da war nichts. Nur mein eigener Atem. Ich öffnete blinzelnd die schweren Lider und legte stöhnend eine Hand über meine Augen, als grelles Licht mich blendete. Noch einmal versuchte ich, die Augen zu öffnen, zwang den Schmerz hinweg und wartete ungeduldig, dass meine Augen sich an das grelle Licht gewöhnten. Ich war umgeben von weißen Wänden. Nur eine Wand war ganz aus Glas oder einem ähnlichen, durchsichtigen Material. Auf der anderen Seite dieser Wand saßen zwei Menschen, ihre Gesichter waren mir bekannt. Sie hatten auf Stühlen Platz genommen und starrten zu mir herein, als wäre ich ein Tier im Zoo.
»Du bist also endlich wach«, sagte Lissianna Bellini zu mir. Sie stand auf, trat an die Scheibe heran und musterte mich. Auch der Mann trat näher, Alfredo Bellini. Diesesmal erka nnte ich beide sofort. Diese aristokratischen kalten Blicke hatten sich für alle Zeiten in mein Hirn gebrannt. Das also waren meine leiblichen Eltern. Das Herrscherpaar der Wölfe.
Ich legte so viel Zorn wie möglich in meine Mi ene. »Warum bin ich
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