Silence
sie uns diese Entscheidung abnehmen und unsere Gefühle ausschalten? Aber wenn ja, dann war das Medikament nicht nötig. Also hatte Kate sich selbst dafür entschieden.
»Wieso hast du es getan? Warum hast du deine Gefühle abgeschaltet?«
»Weil es alles einfacher macht. Die Trennung von unseren Eltern, das Sterben unserer Freunde, wenn sie die Wandlung nicht schaffen, das Gefangen sein. Es macht alles einfacher.«
Das war verständlich, wäre aber für mich keine Lösung. Auf mich wirkte das, als würde ich mich davor drücken mit den Widrigkeiten des Lebens umzugehen. Ich war nie besonders mutig gewesen, ohne Kate hätte ich das letzte Jahr kaum durchgestanden, doch die letzten Tage mit den Vampiren hatten mir gezeigt, dass ich sehr wohl dazu in der Lage war , die Dinge allein zu schaffen. Und ich würde nicht noch einmal zulassen, dass mich jemand so enttäuschte und verletzte, wie es meine Adoptiveltern getan hatten. Ich würde mein Leben nicht aufgeben. Und nichts anderes war dieses Abschalten. Kate hatte aufgegeben und ihr Leben in die Hände anderer gelegt. Sie war eine Marionette geworden. Das würde mir nicht passieren.
27. Kapitel
Der nächste Tag verlief im selben monotonen Rhythmus. Es schien, als wäre jeder Schüler auf dieser Schule ein Klon des anderen. Sie alle hatten die gleiche Maske aufgesetzt, bahr jeder Regung. Stumm folgten sie dem Unterricht, kaum einer sprach, außer er wurde von einem Lehrer angesprochen. Die meiste Zeit schaltete ich einfach ab. Ich wollte nicht hören, wie man Vampire gefangen genommen hatte, an ihnen die effektivste Art ihnen Schmerzen zuzufügen ausprobiert hatte, versucht hatte, den Werwölfen Gift zuzuführen, mit dem sie dann Vampire töten wollten, wenn diese sie bissen. Der gesamte Unterricht war so fanatisch darauf ausgelegt den Hass auf Vampire zu schüren, dass es mich nicht wunderte, dass mancher mich in Gedanken Verräterin oder Vampirliebchen nannte. Heute Morgen hatte ich den Kräutertee aus der Kanne nicht genommen. So wie es schien, legten sie darauf, dass man den Tee trank keinen Wert. Ganz anders das Wasser mit dem Medikament, dass unsere Gefühle abschaltete. Das bekam jeder, der den Schalter noch nicht umgelegt hatte. Und dass wir das zu uns nahmen, wurde überwacht. Den Kräutertee hatte ich also ausgelassen, lebte aber dennoch in dieser Wattewolke. Ich wollte, wenn es mir auch Schmerzen bereitete, trotzdem in den Köpfen der anderen Lesen können. Vielleicht würde ich da etwas Hilfreiches finden.
Beim Mittagessen saß Kirsty mir gegenüber und warf mir immer wieder merkwürdige Blicke zu, so als versuche sie mich zu ergründen. Ich gab mir Mühe, sie zu ignorieren und setzte eine ähnlich unbewegte Miene auf, wie der Rest der Schüler hier.
Dann geschah etwas, das meinen Entschluss, von hier fortzukommen und nie mehr zurückzublicken festigte. Ich war schockiert. Schockierter noch, als ich vom Verrat meiner Adoptiveltern erfuhr.
Am Tisch der Neulinge sprang plötzlich ein Junge auf , er schrie, krümmte sich vor Schmerzen und wand sich auf dem Boden. Einige sahen sich nach ihm um, andere reagierten gar nicht. So was wie Mitleid und Panik konnte ich nur in den Gesichtern der Neulinge erkennen.
Die Neulinge können ihre Gefühle noch nicht abstellen. Das kann man erst nach der Wandlung, sandte mir Kirsty.
Erschrocken sah ich sie an, dann wieder zu dem Jungen, der noch immer wimmerte. Er verwandelt sich und keiner hilft ihm?
Wenn er Glück hat, kommt ein Lehrer und bringt ihn in eine Zelle. Aber meist warten sie, ob man die ersten Minuten überlebt, bevor sie einschreiten.
Aber warum hilft ihm niemand?, schrie ich in Gedanken. Zu frisch waren die Erinnerungen an meine eigene Wandlung noch. Ich sprang von meinem Platz auf und wollte gerade zu dem Jungen laufen, als Kirsty mich aufhielt.
Es ist verboten. Geh nicht. Du machst es für ihn nur noch schwerer. Wenn er Hilfe annimmt, wird er bestraft.
Fassungslos setzte ich mich wieder. Meine Hände zitterten und ich konnte irgendwo tief in mir die Wut spüren. Ich wünschte, sie würde den Nebel des Valiums überwinden können und aus mir herausplatzen. Ich hatte nicht wenig Lust, ein paar Leute hier in der Luft zu zerreißen.
Von meinem Platz aus konnte ich die Knochen Knacken hören, die sich unter der Haut des Jungen verschoben . Übelkeit stieg in mir auf. Ich wollte wegrennen, war aber wie erstarrt.
Wir müssen allein durch die Wandlung, sonst wird das als Schwäche angesehen. Wer schwac
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