Silence
in meinem Kopf war.
26. Kapitel
»Auf welche Arten kann man einen Vampir töten?«, wollte Mr. Dietrich wissen. Ich saß auch in dieser Stunde, wie in jeder davor neben Kate. Es war, als hätte man Kate beauftragt, mich zu überwachen. Sie begleitete mich überall hin. Noch vor wenigen Wochen wäre ich dankbar um so viel Sorge gewesen, aber jetzt? Ich bekam keine Chance, mich genauer auf dem Gelände umzusehen. Kate war ständig da, ermahnte mich, tadelte mich, wies mich zurecht. Und all das mit dieser kalten Gleichmütigkeit, die hier fast alle zu haben schienen. Ich verstand ja die Wichtigkeit dessen, dass wir Werwölfe unsere Gefühle unterdrücken mussten, aber diese Welt um mich herum war angst einflößend. Wie Zombies bewegten sich alle durch das Schulhaus, Gespräche wurden auf ein Minimum begrenzt. Ich ertappte mich sogar dabei, eine ähnlich desinteressierte Miene aufzusetzen. Ich musste hier schleunigst weg, bevor ich auch so wurde.
»Kopfabschlagen, verbrennen, pfählen«, sagte ein Junge zwei Bänke weiter vorn.
Der Unterricht war ähnlich monoton gestaltet, wie sich alle hier verhielten. Gelangweilt hörte ich zu oder wich mit meinen Gedanken ab. Heute Morgen gab es einen Kräutertee. Kate erklärte mir, dass er uns die Fähigkeit nahm, Gedanken zu hören. Ich musste unbedingt herausfinden, was darin war.
»Richtig«, meinte Mr. Dietrich, ein groß gewachsener, muskulöser Mann in den dreißigern. »Und wenn wir in der Gestalt unseres Wolfes angreifen?«
»Die Kehle herausreißen und den Kopf abreißen«, sagte ein dunkelblondes Mädchen, das neben Michelle saß.
Der Lehrer warf mir einen Blick zu. Ja, ich langweile mich, wollte ich sagen. Ich hatte den Unterricht schon nach einem Tag satt. Ich wollte nicht mehr hören, wie böse, gefährlich und hinterlistig Vampire waren. Wollte nicht mehr hören, wie man sie tötete, was sie uns angetan hatten, wie man sie aufspürte, ihnen aus dem Weg ging oder sie gefangen nahm. Und was ich absolut nicht hören wollte, war wie ich den Schalter in meinem Hirn umlegen konnte, der aus mir so einen Zombie machte, wie Kate jetzt war.
Gleich in der ersten Stunde hatten wir einen Kurs, der Seelenkunde hieß. Das war kein religiöser Unterricht, sondern einer in dem wir uns auf die Suche nach dem Ursprung unserer Gefühle machten, um zu lernen einen gewissen »Schalter« an- und auszuschalten. Dieser »Schalter« in unserem Gehirn entledigte uns unserer Gefühle. Genauso konnten wir ihn wieder zurücklegen, wenn wir bedroht waren oder aus anderen Gründen unseren Wolf herbeirufen mussten.
Die meisten in der Klasse hatten diesen imaginären Schalter schon gefunden, weswegen ich eine der wenigen war, die noch unter Medikamente gesetzt wurde. Was mir ganz recht war, denn ich wollte unter gar keinem Umstand diesen Schalter betätigen müssen. Ich wollte bleiben, wie ich war. Keinesfalls wollte ich auch zum Zombie mutieren.
Als das erlösende Klingeln zum Unterrichtsende ertönte, war ich erlei chtert. Mit Schule hatte das hier wenig zu tun. Ich hatte das Gefühl, zum Killer ausgebildet zu werden. Und ich kam damit gar nicht klar, denn je mehr ich hier hörte, desto mehr befürchtete ich, dass keiner der Vampire Vincenzos Anwesen lebend verlassen hatte.
Am Abend gab es einen Gottesdienst in der Kapelle. Freundlicherweise nahm sich der Pfarrer ganz meiner Verfehlung an, indem er davor warnte, nicht auf das falsche Gesicht der Monster hereinzufallen. Der Teufel trage immer eine gut aussehende Maske, um den unschuldigen zu verführen. Dabei blickte er mich immer wieder an. Ich lächelte dem grauhaarigen Mann dann immer freundlich ins runzlige Gesicht, als hätte ich nicht verstanden, dass seine ganze Predigt mir gewidmet war.
Als wir die Kapelle verließen und wieder hinaus in die Nacht traten, fielen erste Schneeflocken herunter und tanzten im Licht der historischen Laternen, die die Wege beleuchteten. Das hatte schon fast etwas Romantisches. Und ich fragte mich, wie es wohl in Venedig wäre, wenn es dort schneien würde? Unweigerlich musste ich wieder an Giovanni denken, was mir einen schmerzhaften Stich im Herzen bescherte.
»Lisa, ich möchte kurz mit dir reden.« Lissianna trat an mich heran, legte mir eine Hand um den Oberarm und zog mich aus der Menge der Schüler, die die Kapelle verließen und auf dem Weg in ihre Zimmer waren.
Ich versuchte mich loszureißen, weil ich keine Lust auf Konversation mit dieser Frau hatte, doch sie hielt mich stur fest. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher