Silence
wäre.«
Ich kniff die Lippen zusammen. »Das glaube ich auch. Außerdem ist es von hier aus nicht weit.«
Ermano stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. Nahe vor mir blieb er stehen, seine Augen auf mein Gesicht geheftet. Ich wagte kaum zu atmen und ich befürchtete, meine Knie würden jeden Moment nachgeben. Sein Gesicht war meinem ganz nahe, als er sagte: »Ich hatte wirklich nicht erwartet, hier zu finden, was ich gefunden habe.«
»Wirklich interessant, wen man am Abend in dieser Kleinstadt so trifft.«
Abrupt riss ich die Augen auf. Ermano trat ein paar Schritte zurück. Aus seiner Brust ertönte ein dunkles Knurren, fast wie das eines Raubtiers, das sich bedroht fühlt.
9. Kapitel
Neben uns stand Giovanni. Er grinste uns an, während es in seinen Augen gefährlich blitzte. Er hob eine Hand an meine Wange, irgendetwas in seinem Gesicht ließ mich erstarren. Da lag so viel Kälte in seinen Zügen, um seine Mundwinkel herum zuckten die Muskeln und es sah so aus, als versuche er, sich zu kontrollieren. Als würde jeden Augenblick etwas tief in ihm zerreißen und er wäre außerstande, die Gefahr, die dahinter lauerte, dann noch zurückzuhalten.
Ermano packte mich am Oberarm und zerrte mich hinter seinen Rücken, als wüsste er von der Bedrohung, die Giovanni gerade niederkämpfte.
»Lass sie zufrieden«, knurrte Ermano in diesem unmenschlichen Ton, der eben schon aus seiner Brust drang. Langsam bewegte Ermano sich rückwärts und drängte mich damit weiter fort von seinem Bruder.
Giovanni schüttelte den Kopf. Er schien den inneren Kampf, den er ausfocht, besiegt zu haben, denn das Blitzen in seinen Augen war weg, als er wieder aufschaute, und er lächelte mich um Ermano herum an. »Zumindest mangelt es ihr nicht an Rettern. Oder wie siehst du das, Lisa?«
War er eifersüchtig? Ich straffte die Schultern, schob mich an meinem Beschützer vorbei und warf ihm einen kurzen Blick zu, der ihm bedeuten sollte, dass ich auf mich alleine aufpassen konnte. Dann bohrte ich meine Augen in Giovannis Augen und hoffte, dass meine Gesichtszüge ihm nicht verrieten, dass er mir Angst machte. »Ich brauche niemanden, der mich beschützt.«
Für meine Ohren klang das sogar ziemlich überzeugt, aber Giovanni beugte sich nach vorne, soweit, dass seine Wange fast meine berührte, und flüsterte: »Meinst du?«
Ein Schauer lief durch meinen Körper. Giovanni wich ruckartig zurück und hinterließ eine Wolke von etwas, dessen Geruch mein Herz schneller schlagen ließ. Es roch süß und gleichzeitig würzig. Ich konnte mich dem kaum entziehen, sog tief den Duft ein, wollte herausfinden, was es war, was mich mit einer freudigen Erwartung erfüllte, die ich nicht kannte. Doch so schnell, wie diese Wolke mich eingehüllt hatte, so schnell ve rschwand sie auch wieder und hinterließ eine Leere in mir.
Unbewusst machte ich einen Schritt auf Giovanni zu, die Nase reckte ich ihm entgegen. Ich wollte noch einmal an ihm schnuppern. Ermano und auch die Gefahr, die gerade noch von Giovanni auszugehen schien, hatte ich vergessen. Für mich existierte nur noch dieser köstliche Duft und ich wusste, ich würde ihn bei Giovanni finden.
Giovanni legte den Kopf schief und musterte mich interessiert. Dann wandte er sich ruckartig von mir ab, verschwand in der Dunkelheit und ließ mich enttäuscht und irgendwie unbefriedigt zurück.
Wir sehen uns , hallte es durch meinen Kopf. Und ich wusste, dass das nicht nur eine leere Drohung war. Was noch beängstigender war, ich freute mich auf den Augenblick, in dem er die Drohung wahr machen würde.
»Vielleicht sollte ich dich doch noch ein Stück begleiten?«
Ermano lief um mich herum und drängte sich in mein Sichtfeld. Ich hatte die Augen noch immer in die Dunkelheit gerichtet. Dorthin, wo Giovanni gerade von einer Sekunde auf die andere verschwunden war. Ermano strich über meine Wange und riss mich aus der Trance.
»Nein. Ist schon Okay.«
Ermano runzelte die Stirn und betrachtete mich einen Moment, als würde er abwägen, ob er das Risiko eingehen konnte, mich mir selbst zu überlassen. Hinter uns ertönte die Türglocke des Diners, als jemand heraustrat.
»Also gut. Dann sehen wir uns morgen. Tut mir leid, das mit Giovanni. Er ist in letzter Zeit etwas … verwirrt.«
Ich nickte.
Ermano blieb vor mir stehen, die Hände tief in den Taschen seiner Jeans vergraben. Das Licht, das durch die Scheiben des Diners nach draußen fiel, erleuchtete Ermanos Gesicht, sodass ich die tiefen
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