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Silence

Silence

Titel: Silence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Davis
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kraftlos an ihrem Körper. Ihr Kopf war auf meine Faust gesunken, die Michelle noch immer am Kragen hielt.
    »Wie lange?«, knurrte ich in einem Ton, der selbst in meinen Ohren unmenschlich klang.
    »Vor den Sommerferien«, keuchte Michelle.
    Ohne darüber nachzudenken, schleuderte ich Michelles Körper gegen eine Reihe Spinde, die hinter ihr stand. Mit einem Krachen knallte sie dagegen und rutschte dann wie ein Fleck aus ekligem Schleim langsam daran herunter.
    Ich stapfte hinterher, beugte mich über die verängstigte Michelle und legte ihr meine Finger um den Hals.
    »Du wusstest es vor Mariana Tod? Vor den schlimmsten Sommerferien, die ich je erlebt hatte? Du wusstest es und hast mich glauben lassen, ich wäre schuld?«
    Ich war so in Rage, dass ich nicht bemerkte, wie meine Hände sich immer enger um Michelles Hals zusammenzogen. Michelle wehrte sich nicht. Sie versuchte nicht einmal, davon zu krabbeln. Tränen liefen ihr über das fett geschminkte Gesicht. Unter ihren Augen verlief die Wimperntusche und Michelle sah aus wie Beetlejuices kleine Freundin Lydia. Nur hatte Lydia nie so jämme rlich gewirkt.
    »Warum sagst du es mir gerade jetzt? Warum?«, schrie ich heiser und drückte noch stärker zu.
    Michelle stöhnte und wand sich unter meinen Händen. »Es ist so viel passiert. Plötzlich höre ich all diese Stimmen. Und du, du kannst es auch.«
    Ja, ich konnte es auch. Aber Michelle war besser. Sie durchdrang meine Eisenhutbarriere, als wäre sie nicht vorhanden. Ich konnte in Giovanni und Ermano nicht lesen, nur hören, was sie mir schickten. Warum war Michelle um so vieles stärker? Und warum wunderte mich gar nicht mehr, dass auch Michelle plötzlich diese Fähigkeit entwickelte?
    Ich war so wütend, wie noch nie in meinem Leben. Monatelang hatte ich in dem Wissen weitergemacht, Kellys Tod verursacht zu haben. Hatte eine Therapie hinter mich gebracht, während Mariana um ihr Leben kämpfte und ich nicht bei ihr sein durfte. Nach der Therapie hatte mich nur die Pflege um Mariana aufrecht gehalten. Ich hatte mir nicht erlaubt, Mariana zu zeigen, wie es sich anfühlte, im Bewusstsein zu leben, einen Menschen getötet zu haben. Hatte sie nicht merken lassen, wie sehr es mich kränkte, dass ich von ihr erfahren musste, dass meine Eltern mich adoptiert hatten und es mir verschwiegen hatten.
    In den letzten Wochen von Mariana Leben verschwendete ich keine Zeit mit Gedanken an die Vergangenheit. Ich war einfach nur für Mariana da. Wollte ihr beweisen, dass es mir wieder gut ging. Dass ich es schaffen würde, wenn sie nicht mehr da war, damit sie in Frieden gehen konnte. Wenn ich damals schon gewusst hätte, dass Kellys Tod einen anderen Grund hatte, dass nicht ich schuld war, dann hätte ich Mariana Schicksal leichter ertragen können. Dann hätte ich ihr in die Augen sehen können, als sie starb.
    Hinter uns wurden die ersten Türen aufgerissen. Neugierige Lehrer und Schüler traten auf den Flur und ve rsammelten sich um uns herum.
    »Lisa, lass sie los!«, japste Mrs. Walsh. »Was geht hier vor?«
    Ich ignorierte, was um mich herum geschah. Für mich existierte nur noch Michelle, die panisch nach Luft schnappte. Ihre Augen quollen aus ihrem Gesicht heraus. Verzweifelt zog sie an meinen Handgelenken. Doch ihr kläglicher Versuch, sich mir zu entziehen, steigerte das zerrende Gefühl in mir nur noch. Ich konnte spüren, wie es mich langsam auffraß. Nichts mehr zurückließ von Lisa. Mich vollkommen auslöschte und durch etwas ersetzte, das mir fremd war.
    Als meine Wut gerade ihren Höhepunkt fand, erstarrte Michelle unter mir mit weit aufgerissenen Augen. Ich würde sagen, sie sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen, da das aber ein abgenutztes Klischee ist, sage ich; sie wirkte, als würde Zombie-Elvis hinter mir stehen. Erst als Michelles Gedanken mir zeigten, warum sie plötzlich aussah, als wäre sie irre geworden, ließ ich sie los, als wäre Michelle tatsächlich das Stück Dreck, für das ich sie hielt.
    Meine Augen waren gelb. Gelb wie die eines wilden Tieres. Gelb wie die des Monsters, das mich in meinem Albtraum verfolgt hatte.
    Ohne mich umzudrehen – ich wagte es nicht, die Schüler hinter mir anzusehen – rannte ich aus dem Schulgebäude. Hinter mir konnte ich schwere Schuhe hören, die zügig auf dem Linoleum aufkamen. Ich beschleunigte me ine Schritte, legte alle Kraft, die mir noch geblieben war, in meine Beine und rannte. Rannte, ohne zu wissen wohin.
    Erst als ich die Grenze des Waldes

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