Silence
gefunden haben. Vielleicht sogar in dieser Hütte. Und ja, er rannte schneller als jeder andere Mensch, aber bei meiner geistigen Verfassung hatte auch das nicht viel zu bedeuten. Vielleicht brauchte ich den Therapeuten dringender als Giovanni. Wenn wir als Paar gingen, würde dann Rabatt herausspringen?
»Ja«, antwortete Giovanni kurz und knapp.
Ich hatte es ja schon geahnt, aber jetzt war es amtlich; der Typ, den ich absolut heiß fand, war ein Irrer. Ich lächelte ihn unschuldig an und rückte etwas auf Abstand.
»Nein, ich bin nicht irre. Aber danke für die Analyse meines Geisteszustandes.« Giovanni lachte laut los. LOL, würde es treffen.
»Hör auf in meinem Kopf zu stecken«, schimpfte ich. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ich einen Nervenzusammenbruch erlitt. Erst der Tod von Kelly, dann der Tod von Mariana, dann diese Gedankenleserei, dann die Italiener und wieder Gedankenleserei und jetzt auch noch Vampire (über den letzten Punkt musste ich allerdings noch mal nachdenken).
»Also gut, angenommen du bist, was du da sagst, und ich drehe nicht gerade vollkommen durch … Hast du gerade Hunger?« Ich rückte vorsichtshalber bis an das am weitesten von Giovanni entfernte Ende der Matratze.
»Also, wenn du dich anbietest?« Giovanni leckte sich über die Unterlippe und bleckte die Zähne. Zum Vorschein kamen ein paar wirklich lange und spitze Eckzähne, die mir vorher nie an ihm aufgefallen waren. Ich schluckte schwer.
Die Beine an die Brust gezogen, das Kinn auf die Knie gestützt, kauerte ich auf meiner Ecke der Matratze, und wagte kaum zu atmen. Ich war noch immer überzeugt, dass einer von uns beiden irre war, aber da ich die merkwürdigen Dinge sah, war naheliegend, dass ich demnächst für längere Zeit meine schicken Klamotten gegen Nach themden austauschen musste, die hinten offen waren – schon wieder.
»Weder du noch ich müssen diese Nachthemden tragen. Obwohl ich dich gerne in einem sehen würde.« Giovanni stand auf und setzte sich neben mich. Er legte einen Arm um mich und hielt mich einige Minuten so. Ich verhielt mich still wie ein Mäuschen. Nur keine auffälligen Bewegungen. Alles vermeiden, was den Irren – oder das Tier – in Giovanni reizen könnte, etwas Dummes zu tun.
»Ist es so schwer vorstellbar für dich? Du kannst Gedanken lesen, du weißt, dass ich es auch kann. Du hast gesehen, wie schnell ich mich bewegen kann, der Abend vor dem Diner, du hast das Blut an mir gerochen. Es hat dich fast verrückt gemacht.«
Ich rückte wieder von Giovanni weg und wechselte die Matratze. Die Erinnerung an meine Reaktion auf diesen Duft, der Giovanni angehaftet hatte, war noch mehr als präsent.
»Wen hast du getötet?«, fragte ich scharf.
»Meinst du an dem Abend oder im Laufe meines Lebens?«, grinste Giovanni und entblößte eine Reihe scharfer Zähne.
»Fangen wir doch langsam an. An dem Abend.« Ich hatte wieder meine Schutzstellung eingenommen; Beine vor der Brust, Kopf auf den Knien.
»Niemanden. Ich hatte etwas Michelle zum Dinner. Aber nur gerade genug, um ihr nicht zu schaden.« Giovanni streckte die Beine aus und brachte sich in eine halb liegende Position.
Aha, dachte ich. Jetzt hab ich ihn. Michelle hätte das sicher schon der ganzen Stadt erzählt, wenn Giovanni an ihrem Hals geknabbert hätte. Dieses Memo wäre mir sicher nicht entgangen.
»Sie weiß es nicht mehr. Ich hab ihr Gedächtnis gelöscht. Du liest doch Christine Feehan? Okay, Einiges ist da schon übertrieben, also wir können uns nicht in Nebel verwandeln oder so, aber das mit den Erinnerungen löschen stimmt.«
Natürlich kannte ich Christine Feehan – ich wollte schon immer Mal in die Karpaten in eine bestimmte kleine Herberge – aber Gedächtnis löschen, das war einfach zu viel. Vielleicht gefiel mir aber auch einfach die Vorstellung von Giovannis Lippen an Michelles Hals nicht. Aber genau das könnte die schwarzen Löcher in Larissas Kopf erklären. Wurden Larissas Erinnerungen gelöscht?
»Hast du auch von Larissa getrunken?«, fragte ich vorsichtig.
»Wie kommst du darauf?«
»Sie hat Gedächtnislücken«, antwortete ich knapp.
»Ich weiß. Nein, das war ich nicht.«
»Ermano?«
»Nein, keiner von uns würde so stümperhaft vorgehen.«
Noch bevor ich überhaupt darüber nachgedacht hatte, streckte ich Giovanni meinen Arm hin. »Beweis es mir.«
»Was?«
»Trink von mir.« Giovanni richtete sich auf. In seinem Gesicht konnte ich sehen, dass er Zweifel an meiner Ernsthaftigkeit
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