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Silence

Silence

Titel: Silence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Davis
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dass ich mit dem Rücken zum Regal stand und die Tür auf der gegenüberliegenden Seite im Blick hatte. Dort hatte ich damals gesessen. Den Plüschwolf in der Hand. Ich hatte ihn meinem Vater entgegengehoben, weil er meinen wertvollsten Schatz auch mit in den Tresor sperren sollte. Mein Vater hatte gesagt, dass der Wolf viel zu groß wäre und sicher Angst hätte, ganz allein in so einem dunklen Schrank.
    Ich wandte mich wieder dem Regal zu und begann, die Bücher herauszuziehen, die sich etwa in Augenhöhe meines Vaters befanden. Und da fand ich ihn wirklich. Eingelassen in die Wand hinter dem Bücherregal. Nur etwa vierzig Zentimeter breit. Ein langweilig grauer Stahlklotz. Mit einem Zahlenfeld.
    Resigniert ließ ich mich gegen das Regal sinken, um dann gleich wieder aufzuspringen. Mein Vater war unfähig, sich Zahlen zu merken. Selbst nach der Geheimzahl seiner Kreditkarte musste er meine Mutter immer wieder fragen. Es war also ausgeschlossen, dass er irgendeinen Code verwendet hatte, den er sich nicht merken konnte. Also hatte er ihn sich irgendwo notiert, wo er ihn fi nden würde.
    Ich musste nur diesen kleinen Zettel finden. Das sollte doch kein Problem sein. Ich begann mit seinen Lieblingsbüchern. Dann mit den Büchern, die direkt in der Nähe des Tresors standen. Jedes einzelne Buch blätterte ich durch, schüttelte es aus und fand nichts. Ich wünschte, ich wäre mit einem Spürsinn wie Columbo gesegnet worden. Wieder durchsuchte ich den Schreibtisch, danach untersuchte ich das Monstrum sogar auf Geheimf ächer. Ich hatte eindeutig zu viel Zeit vor dem Fernseher verbracht. Aber diese Erkenntnis brachte mich kein Stückchen näher an den Inhalt des Tresors.
    Völlig frustriert gab ich es auf und machte mich daran, Geburtsdaten in das Zahlenfeld des Stahlquaders einzutippen. Mein Vater würde sicher nicht etwas so Offensichtliches nehmen, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
    Ganz so offensichtlich war der Code dann doch nicht. Es war kein Geburtstag. Es war der Hochzeitstag meiner Eltern. Lächerlich.
    Gespannt, was sich im Tresor verbergen würde, öffnete ich die Tür. Der Tresor war fast leer. Ich fand ein paar Dokumente, aus denen ich entnehmen konnte, dass es sich da um irgendwelche Grundstückssachen der Stadt Silence handelte, und ein Buch, das fast den ganzen verfügbaren Platz des Tresors einnahm.
    Neugierig, wie man es dem weiblichen Geschlecht nun einmal nachsagt, zog ich das schwere Ding aus dem Stahlschränkchen. Das Buch sah alt aus. Sehr alt. Was erklärte, warum es sich im Tresor befand. So ein wirklich, wirklich altes Buch war sicher wirklich, wirklich wertvoll. Zärtlich strich ich über den ledernen Einband. Er war dunkel und abgegriffen, stellenweise rissig wie vertrocknete Haut. Es gab keinen Titel. Nicht auf dem Deckel des Buches. Nicht auf dem Buchrücken. Vorne gab es nur ein Relief; ein Halbkreis, der auf einer Linie saß, die in der Mitte eine Erhebung hatte – eine Welle oder ein Berg.
    Vorsichtig trug ich das Buch zum Schreibtisch meines Vaters. Ich klappte es auf. Das Papier war vergilbt und starr. So dass ich befürchtete, wenn ich die Seiten umblättern würde, würden sie zerfallen. Aber das passierte nicht.
    Ich erkannte die Worte auf der ersten Seite aus dem Unterricht. Es handelte sich dabei um altdeutsch. Leider kam ich damit nicht wirklich zurecht. Ich schaffte es trotzdem, den Titel zu entziffern – Deutschkurs sei Dank. Anscheinend hatte ich in meinem Leben doch mal eine Entscheidung getroffen, die richtig war. Der Titel lautete Morgendämmerung. Hätte ich mich nur etwas mehr angestrengt, hätte mir das Relief genau das verraten. Eine Sonne, die am Horizont aufging. Leider wurde so nicht die Frage beantwortet, ob die Sonne hinter einem Berg oder über dem Meer aufging.
    Auf der nächsten Seite war mit Füller fein säuberlich eine Liste eingetragen. Alles Namen, die ich aus Silence kannte. Meine Mutter, Michelles Vater, Kates Mutter und noch einige andere. Insgesamt zwanzig Einwohner von Silence. Vielleicht hatten sie alle irgendwann mal das Buch ausgeliehen, überlegte ich.
    Ich blätterte auf die nächste Seite. Die Überschrift dort lautete 1756. Ich vermutete eine Jahreszahl. Ich hatte etwas Mühe die ersten Sätze zu entziffern, aber im Wesentlichen stand dort handschriftlich, was wir aus dem Geschichtsunterricht schon wussten.
    Dies scheint uns der richtige Ort für unsere neue Heimat. Fernab von allem mitten in einem Waldgebiet beginnen wir die ersten

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