Silence
meinen Kopf.
Ich musste mich anstrengen, um mit Ermano Schritt halten zu können. Eine Weile stolperte und keuchte ich hinter ihm her, dann gab ich es auf und blieb einfach stehen. Wenn er nicht vorhatte, Rücksicht auf mich zu nehmen, sondern stur sein Tempo weiterging, obwohl er sicher bemerkt hatte, dass ich nicht mit ihm Schritt halten konnte, dann sollte er bleiben, wo der Pfeffer wächst. Irgendwie würde ich schon aus diesem Dschungel herausfinden.
Es dauerte auch nicht lange, bis Ermano auffiel, dass ich ihm nicht mehr folgte.
»Hast du beschlossen, hier auf die Dunkelheit zu warten?«
»Oh, tut mir leid. Ich musste unbedingt herausfinden, was das für ein Baum ist«, sagte ich trotzig und betastete den Stamm einer dicken Eiche. »Ich war schon immer sehr an der heimischen Natur interessiert. Du sagtest, hier gibt es Wölfe? Also ich hab ja noch nie einen gesehen. Ich liebe Wölfe ja sehr. Sie sind so wunderhübsch, findest du nicht auch?«, plapperte ich drauf los und wollte Ermano damit eigentlich verärgern.
Mein Plan ging aber nach hinten los. Er zog mich einfach in seine Arme und hob mich hoch.
Ich wollte aus zweierlei Gründen protestieren; zum einen, weil ich wenig Lust hatte, in diesem Affentempo zu reisen, zum anderen, weil ich mir von ihm nicht die Entscheidung darüber abnehmen lassen wollte, auf welche Art ich nach Hause kommen würde. Da ich aber eigentlich sehr erschöpft war von all dem, was ich heute erlebt hatte, war es mir doch ganz recht, nicht laufen zu müssen.
Nachdem ich heute schon einmal das Vergnügen hatte, in Vampirgeschwindigkeit durch Wald und Wiesen zu reisen, war mein zweiter Trip gar nicht mehr so schlimm. Ehe ich es an Ermanos Brust noch richtig genießen kon nte, standen wir auch schon auf dem Balkon vor meinem Zimmer.
»Wie sind wir hier hochgekommen?«, fragte ich erstaunt und mein Gesicht drückte wohl meine Überraschung aus, denn Ermano grinste.
»Gesprungen.«
»Ach so, wenn es weiter nichts ist.« Ich wandte mich der Balkontür zu und gab ihr einen sanften Stoß, damit sie sich öffnete. »Woher wusstest du, dass sie offen sein würde?«, fragte ich über meine Schulter hinweg.
»Ich wusste es nicht. Ich hatte es gehofft. Ich würde mich gerne noch kurz mit dir unterhalten.«
Ich nickte. »Muss ich dich hereinbitten? Aber eigentlich warst du ja schon drinnen.«
»Stimmt. Einmal reicht einem Vampir vollkommen.« Ermano schritt an mir vorbei durch die Tür. »Deine Mutter ist nicht zu Hause.« Das war eindeutig keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Nein. Meine Eltern sind die meiste Zeit meines Lebens nicht vorhanden.« Das klang etwas vorwurfsvoller, als ich es beabsichtigt hatte. Ich setzte mich auf den Rand meines Bettes. »Woher weißt du, dass sie nicht da ist?«
Ermano zog sich einen Stuhl heran. »Ich kann fühlen, wenn sie in der Nähe sind.«
»Wieso?«
»Giovanni hat es dir noch nicht gesagt. Ich verstehe nicht, warum sie es geheim halten. Nicht nur deine Eltern, die ganze Stadt scheint das so zu handhaben«, sagte Ermano ernst. »Ich weiß nicht, ob es richtig von uns wäre, sich da einzumischen.«
»Findest du es denn richtig, dass sie uns was auch immer verheimlichen?«, fragte ich trotzig.
»Es ist nicht meine Aufgabe, das zu beurteilen. Aber deswegen wollte ich dich auch gar nicht sprechen. Giovanni und ich, wir werden die Stadt verlassen. Wir sind fertig hier.«
»Der geheimnisvolle Auftrag«, sagte ich und nickte verstehend. Mir war aber viel mehr danach Dinge um mich zu werfen, weil ich eben nicht verstand.
Ermano wich meinem Blick aus. Seine Finger spielten nervös mit einer hölzernen Perlenkette, die er um sein Handgelenk trug.
»Ihr werdet also einfach abhauen«, rief ich.
Ich war wütend und enttäuscht und fühlte mich im Stich gelassen. Dabei hatte ich kein recht dazu, schließlich konnten Giovanni und Ermano frei über ihr Leben entscheiden und wenn sie gehen wollten, dann wollten sie gehen. Ich hatte nicht das Recht, sie aufzuhalten.
»Es tut mir leid. Wir müssen gehen. Mittlerweile wissen sie, dass wir hier sind. Mrs. Walsh hat sogar ve rsucht uns zu manipulieren. Direktor Snyder hat heute verkündet, dass Mrs. Walsh die Schule verlassen wird. Er muss etwas bemerkt haben.«
»Aber wieso? Heute Morgen war sie doch noch da«, sagte ich entrüstet.
»Es hat wohl damit zu tun, dass sie uns für Extrahausaufgaben zusammengesteckt hat. Sie hatte gehofft, dass wir dir sagen, was sie nicht darf. Das hab ich in ihren
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