Silence
hegte.
»Doch. Ich will es sehen«, sagte ich und war mir nie sicherer. »Du sagst, du bist ein Vampir. Ermano sagt, wir sind anders als die meisten anderen hier in Silence, weil wir Gedanken lesen können. Ich will es wissen.«
»Du glaubst, du wärst auch ein Vampir?«, fragte Giovanni und lachte.
»Nein, ich glaube nicht mal, dass du einer bist, aber ich weiß, dass ich nicht normal bin. Und ich will verdammt noch mal herausfinden, was mit mir los ist. Und der einzige Anhaltspunkt, den ich habe, sind zwei Italiener, mit den gleichen Fähigkeiten, wie ich sie habe, und so wie es aussieht, seit Neuestem auch Michelle.«
»Du bist kein Vampir. Es würde einiges einfacher machen, wenn du das wärst, aber was in meinem Leben ist schon einfach?« Giovanni schüttelte den Kopf.
Seine Finger legten sich um mein Handgelenk, dann senkte er seine Lippen auf meinen Puls. Mein Herz hämmerte vor Aufregung in meiner Brust und ich konnte mich nicht entscheiden, welches Gefühl es mehr zum Hämmern brachte; die Angst, dass Giovanni wirklich zubeißen würde oder seine Lippen auf meiner Haut zu spüren. Ich wartete darauf, dass sich seine Zähne in mein Fleisch bohrten, auf den Schmerz, der den Biss begleiten würde, aber es passierte nichts dergleichen.
Giovanni hauchte einen sanften Kuss auf mein Handgelenk, dann hielt er meine Hand in seiner und blickte mir tief in die Augen.
»Ich sagte doch, ich werde dir nicht wehtun.«
Ich zuckte mit den Schultern und tat gleichgültig. Aber diese sanfte Liebkosung hatte Verwirrung in mir gestiftet.
»Wenn du nicht willst, dann erklär mir wenigstens, wie du am Tag da draußen rumlaufen kannst. Ich meine; Regel Nummer eins im Vampirhandbuch: Vampire vertragen keine Sonne.«
»Das stimmt, aber du vergisst unseren Schutzschild.« Giovanni fischte einen kleinen Wildlederbeutel aus seinem cremefarbenen Rollkragenpullover. So wie es aussah, war Eisenhut ein Allroundtalent.
»Also ist man nicht mal bei Tag vor italienischen Reißzähnen sicher«, murmelte ich. Ich war erschöpft, meine geistige Unversehrtheit hochgradig gefährdet und ich wollte nur noch, dass das alles ein Ende nahm. Ich ließ mich nach hinten auf die Matratze fallen und starrte zum löchrigen Dach hinauf. Für einen Augenblick dachte ich darüber nach, wie es wohl nachts hier wäre. Ob man die Sterne durch die Löcher sehen konnte? Ich sog tief die frische Waldluft ein und wünschte mir, ich wäre irgendwo, nur nicht hier. Vielleicht doch hier, aber unter anderen Umständen, mit weniger Problemen am Hals.
»An dem Abend vor dem Diner, warum warst du da so … so komisch?«, fragte ich nach einer Weile und wagte nicht Giovanni anzusehen.
»Angst. Eifersucht. Wut. Von allem etwas.« Giovanni flüsterte nur.
»Und was war der Grund dafür?«
»Dich mit Ermano zu sehen.«
Schockiert richtete ich mich auf. »Was?«
Giovanni wandte das Gesicht von mir weg und murmelte: »Er weiß, was du mir bedeutest. Es macht mich wütend, dass er versucht, mich von dir fernzuhalten.«
Ich lief rot an und schwieg, weil ich nicht wusste, was ich dazu sagen sollte. Ich wusste nicht einmal, was ich davon halten sollte. Giovanni war ein Vampir! Und doch konnte ich nicht verhindern, dass mir der Schweiß unter den Achseln rann, wenn ich nur daran dachte, was Giovanni da gerade zu mir gesagt hatte. Ich musste vollkommen verrückt geworden sein. Wie konnte mein Körper auch nur im Entferntesten an einem Vampir – einem Untoten – interessiert sein? Mein Verstand war noch lange nicht so weit, das zu akzeptieren. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt in Erwägung zog, an die Existenz von Vampiren zu glauben.
Giovanni legte sich neben mich, den Kopf auf eine Hand gestützt, und strich mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Seine Finger glitten über meine Wange und lösten ein Kribbeln auf meiner Haut aus. Ich kämpfte das aufkommende Gefühl der Zuneigung nieder. Ich wollte Giovanni viel lieber hassen, ihn verabscheuen, wenn er wirklich war, was er vorgab zu sein.
»Wie viele Menschen hast du schon getötet?«
Ich drehte meinen Kopf, so dass ich ihm ins Gesicht blicken konnte. Tränen brannten mir in den Augen und in meinem Hals hatte sich ein Kloß gebildet. Die Vorstellung, dass Giovanni ein Killer war, konnte ich kaum ertragen. Noch viel weniger als den Gedanken, dass er wirklich ein Vampir war.
Giovanni hielt meinem prüfenden Blick stand.
»Ein paar. Einige in Duellen. Es gab Zeiten, da waren die an der
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