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Silence

Silence

Titel: Silence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Davis
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Wut.
    »Sie verlassen also die Stadt?«, wollte meine Mutter wissen und es war unmöglich, die Freude in ihrer Stimme zu überhören.
    »Ja. Das tun sie.«
    Ich drehte mich um und warf meiner Mutter einen hasserfüllten Blick zu. Tief in mir brodelte es und ich musste kämpfen, um das zerrende Gefühl, das auch Michelles Geständnis in mir wach gerufen hatte, nicht an die Oberfläche dringen zu lassen.
    Mein Vater blickte mich besorgt an. Er hatte noch immer seine schwarze Anzugjacke an. Was bedeutete, dass meine Eltern sofort nach ihrer Ankunft zu Hause auf mein Zimmer gestürmt waren, denn mein Vater hatte auf sein Ritual verzichtet. Er entledigte sich immer zuerst von Schlips und Jacke, hängte beides fein säuberlich auf einen Bügel, ging dann unter die Dusche und stieg in weite Stoffsachen. Ganz im Gegensatz zu meiner Mutter, die auch im Haus in Stilettos und feinem Zwirn herumlief.
    Diese Erkenntnis machte es mir noch schwerer, diese mächtige Wut in Zaum zu halten. Immer mehr übernahm dieses neue Gefühl die Kontrolle. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, sodass die Fingernägel mir tief ins Fleisch einschnitten. Ich stand kurz vor einer Explosion, denn ich wusste, wenn ich jemanden die Schuld g eben musste, dass Ermano und Giovanni Silence verlassen würden, dann waren es meine Eltern.
    Meinem Vater rollten ein paar Schweißperlen über die hohe Stirn. Ich beobachtete, wie sie sich einen Weg weiter über die markanten Wangenknochen bis hinunter zum glatt rasierten Kinn bahnten, von wo aus sie auf den schwarzen Stoff seines Anzugs tropften. Ihm war die Anspannung ins Gesicht geschrieben.
    Mit Mühe konzentrierte ich mich auf die Bahn, die die kleinen feuchten Tropfen über das Gesicht meines Vaters zogen. Ein verzweifelter Versuch, meine Selbstkontrolle zurück zu erlangen. Wenn ich am heutigen Tag nicht schon genug für ein ganzes junges Leben durchgemacht hätte, hätte ich Mitleid empfinden können. Aber mit mir hatte auch keiner Mitleid, also warum sollte ich mich dann um die Probleme anderer scheren?
    Mein Vater hob seinen muskulösen Arm und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wir müssen mit dir reden. Wenn du so weit bist, komm einfach nach unten.«
    Meine Eltern verließen das Zimmer und ich wandte mich erleichtert wieder meinem Laptop zu. Mit geschlossenen Augen atmete ich ein paar Mal tief durch. Dieses bevorstehende Gespräch würde mich einiges an Kraft kosten. Bevor ich mich also in die Fänge meiner Eltern begeben würde, musste es mir gelingen, mich zu beruhigen.
    Murrend stellte ich fest, dass Kate mir keine E-Mail geschickt hatte. Noch einmal schrieb ich ihr von den neuesten Ereignissen, sparte alle Infos über Vampire aus – nur für den Fall, man weiß ja nie, wer sonst noch so eine E-Mail liest, die nicht für ihn bestimmt ist – und flehte abermals ausdrücklich, dass Kate sich doch bitte melden solle.
    Danach ließ ich mir noch Zeit. Ich räumte mein Zimmer auf, wischte Staub, hängte das schöne grüne Julia-Kleid auf einen Drahtbügel an den kleinen Nagel in meiner Zimmertür, an dem irgendwann einmal ein gerahmtes Barbiebild befestigt war. Danach sortierte ich Kates Hinterlassenschaften in Schränke und Regale. James bekam einen Platz auf meinem Schreibtisch, gleich neben dem Foto von mir und Kate. Als ich genug Zeit vertrödelt hatte und mich bereit für die nächste Katastrophe des heutigen Tages fühlte, trottete ich langsam die Treppe hinunter.
    Unten angekommen überlegte ich, dass ich heute ja noch nichts gegessen hatte. Ich könnte mal einen Blick in die Küche werfen und nachschauen, was Greta so gezaubert hatte. Niemand konnte mit knurrendem Magen Ve rhandlungen führen.
    Greta stand am Spülbecken und putzte Möhren. »Hallo, meine Kleine. Ärger im Paradies?«, murmelte sie über ihre Schulter hinweg.
    Ich nickte, bevor mir bewusst wurde, dass Greta das unmöglich sehen konnte, da sie ja keine Augen im Hinterkopf hatte, also schickte ich noch ein »Hmm« hinterher.
    »Nimm`s nicht so tragisch. Eltern sind schnell mal sauer. Am nächsten Tag haben sie vergessen, warum sie überhaupt wütend waren. So ist das mit Kindern. Man kann nie wirklich lange böse auf sie sein.« Greta öffnete einen Schrank über der Spüle und nahm einen Teller heraus. »Eine kleine Stärkung, bevor du dich in die Wolfshöhle begibst?«
    »Ja, unbedingt«, murmelte ich dankbar.
    Ist es nicht komisch, dass der Hunger immer noch größer wird, wenn man das Essen schon fast vor der Nase hat?

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