Silent Control | Thriller
jetzt auf eine harte Probe gestellt.
Novas Augen funkelten zornig. »So, du Feigling. Was ich jetzt tue, war längst überfällig.«
Sie machte auf dem Absatz kehrt und stürmte nach vorn, direkt auf Wallins zu, der von den notorischen Kriechern der Firma zu seinem Vortrag beglückwünscht wurde. Mit verschränkten Armen baute sie sich vor ihm auf und stoppte die Lobpreisungen.
»Schluss! Ich verkaufe mein Talent nicht mehr an dich. Du hast doch nicht einen Funken Moral im Leib. Was, wenn dir als Nächstes die Bankenmafia mehr anbietet als die Regierung? Was müssen wir dann unterschreiben? Eine Vereinbarung, wen wir wählen dürfen? Du kotzt mich an.«
Entgeistert starrte Wallins sie an. Sein Gesicht färbte sich dunkelrot.
»Schön, dass wir die Fronten geklärt haben«, entgegnete er leise. »Du kannst dir gleich deine Papiere abholen und den Sicherheitsausweis abgeben. Aber ich sage dir, das wird dir noch leidtun.«
»Es sind Idioten wie du, die die Menschen auf die Straße treiben! Ja, du mit deiner ekelhaften Profitgier! – Du kannst mich mal!«
Entgeistert verfolgte Torben den Schlagabtausch. Novas Gerechtigkeitssinn in allen Ehren – aber musste sie so die Beherrschung verlieren? Im ganzen Raum war es schlagartig still geworden. Vielen Mitarbeitern war der Unterkiefer runtergefallen, einige grinsten verstohlen, während sie zusahen, wie sich Nova um Kopf und Kragen redete.
Ihre Stimme wurde schrill. »Mika, du bist echt das Letzte. Der Abschaum dieses Schweinesystems!«
Unter Wallins rechtem Auge zuckte es. »Dann schließ dich doch gleich Anonymous an, genug Zeit hast du ja jetzt dafür.« Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Torben sah, wie Nova die Schultern straffte. Dann marschierte sie hoch erhobenen Hauptes aus dem Raum. Völlig durcheinander blickte er ihr hinterher. Er verstand nicht, was plötzlich in seine Freundin gefahren war. Dass sie zu Anonymous gehörte, hielt er für ausgeschlossen, dafür kannte er sie zu gut. Okay, sie war in den letzten beiden Jahren mehrmals in Frankfurt gewesen, um die Occupy-Bewegung zu unterstützen. Aber dass sie bereit war, für ihre Überzeugungen den Job zu schmeißen, bestürzte ihn.
Benommen stand er auf und ging auf Kilian zu. Nova und Kilian waren seine engsten Freunde. Eigentlich die Einzigen, die er hatte. Wenn er diese beiden Menschen verlor, würde es einsam um ihn werden. Ihn fröstelte.
»Was war das denn eben?«, fragte Kilian kopfschüttelnd.
Er war ein erklärter Gegner von Anonymous.
Ratlos hob Torben die Schultern und knuffte seinen Freund zur Begrüßung in den Arm. Auch Kilian wirkte übernächtigt. Er war so alt wie Torben, ein etwas pummeliger junger Mann, der sofort auffiel mit seiner schwarzen Igelfrisur und der dominanten Hornbrille. In seinem verknitterten hellen Leinenanzug sah er aus wie ein Tourist, der sich aus Versehen in die Räume von Saicom verirrt hatte.
»Auf jeden Fall ist sie ihren Job los«, stellte er bekümmert fest.
»Vielleicht besser so.«
Torben sagte nicht, was er wirklich dachte. Die letzten Attacken von Anonymous, über die hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde, wirkten untypisch, weil der Robin-Hood-Touch fehlte. Die Stimmung in der Bevölkerung kippte, viele sahen in der Bewegung gegen Zensur und Ausbeutung jetzt nur noch eine Bande gewissenloser Krimineller. Was, wenn gar nicht Anonymous hinter den letzten Angriffen steckten? Zumindest wäre es eine perfide Taktik, ihnen Taten in die Schuhe zu schieben, die sie gar nicht begangen hatten. Das schadete ihrem Image. Und es war vermutlich die einzige Strategie, um ihnen Unterstützer und Sympathisanten abzujagen.
Torben kratzte sich am Kopf. Oder war das eine allzu verrückte Interpretation? Irgendwie klang es nach Verschwörungstheorie.
Kilian deutete Torbens Schweigen als eine Solidaritätsadresse an die Protestbewegungen.
»Scheint dir ja alles egal zu sein.« Er bedachte Torben mit einem abfälligen Blick. »Nova, die Firma, Anonymous. Oder bist du neuerdings auch einer dieser lachhaften Loser, die vor Banken kampieren?«
Was war das? Warum war Kilian plötzlich so aggressiv? Torben fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Wollte Kilian jetzt, da die Studienzeit fast beendet war, schon neues Terrain betreten? Bald würden sie ohnehin eigene Wege gehen. Vor allem würden sie sich entscheiden müssen, auf welcher Seite sie standen. Nova hatte es bereits getan. Wieder überlief Torben ein Frösteln. Er wollte seine
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