Silent Control | Thriller
gebildet und ließen niemanden mehr rein und raus, während sich die Demonstranten zu Gruppen formierten. Gewalt lag in der Luft. Wenn jetzt auch nur ein Stein flog, würde die Situation eskalieren.
Ich muss hier raus, überlegte Torben, das hier ist nicht meine Art zu kämpfen. Die Demonstranten hatten zwar die besten Absichten, aber sie gingen viel zu dilettantisch vor. Das Zeitalter der Straßenkämpfe war vorbei. Die wahren Schlachten wurden jetzt woanders ausgefochten – im Netz.
Er wühlte sich immer schneller durch das Getümmel, auf der Suche nach einer Lücke zwischen den aufmarschierten Polizisten. Das flackernde Blaulicht der Einsatzwagen ließ die Sprechchöre gespenstisch erscheinen. Mit zusammengebissenen Zähnen bahnte er sich seinen Weg durch die Demonstranten, die auf die Polizisten vorrückten.
Plötzlich entdeckte Torben in der Menge einen Mann, der ihm bekannt vorkam.
Das ist doch der Typ vom Flughafen, durchfuhr es ihn. Er sah genauer hin, doch der Mann war vom Gewühl verschluckt worden. Hinter den Demonstranten fand Torben ein Schlupfloch in der Polizeikette und glitt hindurch. Aufatmend sah er sich um. Er musste so rasch wie möglich an seinen E-Mail-Account.
Einige Straßen weiter fand er ein Internetcafé. Sofort setzte er sich an einen Rechner und öffnete seine Mails. Ja, der mysteriöse Typ hatte sich wieder gemeldet. In einer verschlüsselten Mail wiederholte er seine Einladung zu dem Hackerkonvent und den Treffpunkt Restaurant Trinity Place.
Wieso ging dieser Typ davon aus, dass Torben sich in New York aufhielt? Und wie sollten sie einander erkennen? War er ihm am Ende schon auf den Fersen?
Aufmerksam musterte Torben seine Umgebung. In dem heruntergekommenen Internetcafé mit den nackten Wänden hockten fast nur exotisch aussehende Männer – Inder, Araber, Philippinos. Vermutlich chatteten sie hier mit ihren Familien am anderen Ende der Welt – eine der schöneren Seiten der weltweiten Vernetzung. Ein scharfer Geruch nach Schweiß und kaltem Kaffee lag in der Luft.
Unschlüssig starrte Torben auf die Mail. Restaurant Trinity Place. Er schloss seinen Account und googelte das Lokal. Es lag nicht weit entfernt, zu Fuß vielleicht eine Viertelstunde. Noch einmal rief er sich die erste Mail ins Gedächtnis: »Du bist gut! Aber du begibst dich in große Gefahr. Ich kann dir einen Weg zeigen, dein Talent besser einzusetzen! In zwei Tagen ist ein Hackerkonvent in New York. Komm her und zeig dich!«
Komm her und zeig dich. Das war Selbstmord. Wenn Torben noch einen Trumpf in der Tasche hatte, dann seine physische und virtuelle Unsichtbarkeit. Doch das Risiko erschien ihm nach alldem kalkulierbarer. In Stockholm würde man ihn sicher schon suchen.
Kurze Zeit später stand er vor dem Restaurant. Es lag in einer ruhigen Seitenstraße und wirkte ziemlich elegant mit den dunkelgrünen Markisen und den Buchsbaumkübeln vor dem Eingang. Ausgerechnet hier sollte er sich mit seinem anonymen Hacker treffen?
Während er noch darüber nachdachte, ob er das Lokal betreten sollte, stand wie aus dem Nichts plötzlich ein dunkelhäutiger Riese in einem auffallenden gelben Lederanzug vor ihm. Sein krauses Haar war grün gefärbt, und seine überdimensionierte Sonnenbrille verlieh ihm etwas Unheimliches.
»Mann, Alter«, sagte der Fremde. »Du stehst aber ziemlich unter Strom.«
KAPITEL 15
STOCKHOLM
Das Büro der Stockholmer Polizei, in dem Kilian auf sein Verhör wartete, war äußerst spartanisch. Olivfarben gestrichene Wände, keine Fenster. Nur ein einziger Tisch mit zwei Stühlen stand in der Mitte des Raumes. Das grelle Licht der Neonlampen blendete Kilian. Seit einer halben Stunde schon ließ man ihn hier schmoren. Minutenlang putzte er seine Brille. Immer noch stand er unter Schock, seit er direkt vor dem World Trade Center, ohne auch nur ansatzweise zu verstehen, warum, verhaftet worden war. Was hatte man mit ihm vor?
Als sich die Tür öffnete, zuckte er zusammen. Zwei Beamte kamen herein. Sie trugen dunkelblaue Anzüge und hatten einen gleichgültigen Gesichtsausdruck. Einer von ihnen, ein massiger, vierschrötiger Mann von etwa fünfzig Jahren, setzte sich zu Kilian an den Tisch. Der andere, ein drahtiger Mittdreißiger, lehnte sich lässig an die Wand.
»Kilian Winter, 27 Jahre, geboren in Boston«, sagte der Beamte, der gegenüber von Kilian Platz genommen hatte. »Sie studieren Mathematik und Informatik und sind Mitarbeiter eines der besten IT-Unternehmens Stockholms. Wie man
Weitere Kostenlose Bücher