Silent Control | Thriller
verstehen konnte. Was ihm jedoch das Blut in den Adern stocken ließ, war das, was er sah: ein Foto von ihm!
Er ging einen Schritt näher an den Fernseher. Man hatte ihn wegen des Datendiebstahls bei Saicom zur Fahndung ausgeschrieben. Plötzlich wurde ihm bewusst, in welche Gefahr er auch Kilian gebracht hatte. Sicher würde man ihn auseinandernehmen. Er musste ihn erreichen, sich erklären.
Bevor der Mann hinter dem Tresen auf ihn aufmerksam werden konnte, drehte er sich um und eilte auf die Straße.
Offenbar hatte die Polizei in der Nacht seinen Pass gefunden. Wie hatte er ihn auch nur in dem Rucksack lassen können? Verzweifelt setzte er sich auf einen Mauervorsprung. Auf all das hatte Peter ihn nicht vorbereitet. Er war kein abgebrühter Agent ohne Angst und Skrupel. Vor lauter Begeisterung für Norris hatte er die Gefahren dieser Mission unterschätzt. Wut stieg in ihm auf. Der Ex-CIA-Mann hatte ihn in diese Situation gebracht. Er musste gewusst haben, dass er Torben gefährdete, als er ihn mit seinen Befürchtungen fütterte. Spätestens wenn die Politik vor den Banken und Unternehmen komplett einknicken und alle Belastungen an die Bevölkerung weiterreichen würde, wäre ein Punkt erreicht, an dem das System, die Männer und Frauen an den Schalthebeln der Macht losschlagen würden. Ihre Angst war größer als ihr Verstand und ihr Herz. Torben vermutete, dass Peter ihm nicht alles erzählen konnte. Oder wollte er es gar nicht? Das Rettungspaket in Hamburg war jedenfalls nicht für jemanden gedacht, der sich einer Bagatellstraftat schuldig gemacht hatte.
Nun war Torben völlig schutzlos. Nur seine Sonnenbrille gab ihm ein letztes Gefühl von Sicherheit, nicht sofort erkannt zu werden. Er musste weg von der Straße. Aber wohin? Selbst ein anständiges Hotel kam nicht mehr infrage, weil in den meisten ein Pass oder eine Kreditkarte vorgelegt werden musste. Als Barzahler würde er in dieser paranoiden Stadt sofort auffallen. Zurück zu diesem unorganisierten Anonymous-Haufen zu gehen war ausgeschlossen. Offenbar wurden sie seit Langem überwacht. Noch einmal wollte er nicht wie ein Wild gejagt werden.
Angestrengt dachte Torben nach, während er die Straße im Blick behielt. Ein paar mexikanisch aussehende Jungen kickten mit leeren Dosen. Eine obdachlose Frau schlurfte vorbei, schwer beladen mit Plastiktüten, in denen sie ihre Habseligkeiten mit sich schleppte. Alles hier sah trostlos aus.
Denk nach! Es muss eine Lösung geben! Vielleicht könnte ich bei den Demonstranten rund um die Wall Street Hilfe finden, überlegte er. Doch was dann? Ohne Papiere käme er ohnehin nicht weit. Er brauchte jemanden, der ihm hier heraushalf. Jemanden, dem er vertrauen konnte. Und dafür kamen nur zwei Menschen infrage: Nova und Kilian vielleicht auch wieder.
Mit Nova Kontakt aufzunehmen wagte er nicht. Er wollte sie nicht ins Fadenkreuz der Verfolger rücken. Blieb also nur Kilian. Das war allerdings eine schwierige Option. Seit Kilian ihm die Festplatte entrissen hatte, waren sie keine Freunde mehr. Andererseits war dies eine Notsituation. Kilian würde ihn sicher nicht hängen lassen, ganz bestimmt nicht. Doch was wäre, wenn die Bullen ihn seinetwegen längst hochgenommen hatten?
Torben erinnerte sich, wie er mit seinem Freund und dessen Vater ein Jahr zuvor in New York gewesen war. Auf dem JFK Airport waren sie ohne Passkontrolle eingereist, weil Kilians Vater als Honorarkonsul von Venezuela den Diplomatenstatus innehatte. Das war Torbens einzige Chance, das Land zu verlassen. In Schweden würde man ihn besser behandeln. Bei den Gefängnisstrafen, die ihn hier höchstwahrscheinlich erwarteten, würde sein Leben vorüber sein, wenn man ihn wieder entließ.
In seiner Hosentasche wühlte er nach Kleingeld. Er stand auf und schlenderte zur nächsten Telefonzelle. Aus dem Gedächtnis tippte er Kilians Handynummer in die Tasten. Dann lauschte er auf das Freizeichen. Jede Sekunde, die verging, war eine Qual. Immer wieder boxte er mit der Faust auf den Telefonkasten.
»Komm schon, geh ran«, murmelte er beschwörend.
»Winter.«
Beim Klang von Kilians Stimme hätte Torben fast geweint. Kilian, das war sein altes Leben, als es noch in Ordnung gewesen war.
»Hallo? Wer ist da?«
Torben schluckte. »Ich bin’s, Torben. Mir ist klar, welchen Ärger ich dir oder Saicom vermutlich gemacht habe. Kilian ich stehe hier auf der Fahndungsliste. Ich will mich stellen, dir alles erklären, aber in Schweden, verstehst du? Warte
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