Silent Control | Thriller
schnaubte zufrieden. »Sehen Sie? Die Welt ist zu komplex geworden für unsere Demokratie. Wir brauchen andere Lösungen.«
Torben schüttelte unwillkürlich den Kopf. Worauf wollte Clark hinaus? Dass das Internet nur von Diktaturen in Schach gehalten werden konnte? War es das, was ihm vorschwebte? Digitaler Stalinismus?
»Mr. Clark, auch wenn Sie es nicht gern hören: Sie können das Internet nicht regulieren. Sonst hätten wir diktatorische Verhältnisse. Und das machen die Bürger der freien Welt nicht mit!«
Seltsamerweise ließ sich Clark nicht im Mindesten davon provozieren. »Die Bürger.« Er lächelte überheblich. »Die Bürger werden das tun, was ich will. Und sie werden es gerne tun.«
Woher nahm er nur die Sicherheit für solch eine abenteuerliche Behauptung? Torben dachte noch darüber nach, als er hörte, wie sich hinter ihm eine Tür öffnete. Ein kalter Lufthauch traf ihn.
Clarks Gesichtszüge entspannten sich. Torben folgte seinem Blick und sah direkt in die grünen Augen einer bemerkenswert attraktiven Frau.
»Ah, wunderbar«, sagte der CIA-Chef. »Darf ich vorstellen? Das ist Agentin June Madlow.«
Mit allem hatte Torben gerechnet, aber nicht mit solch einer Erscheinung in diesem trostlosen CIA-Bunker. Er errötete, da er sich dabei ertappte, auf das Äußere dieser Frau anzuspringen, und versuchte sofort, diese Regung zu unterdrücken. Der gewinnende Blick, das pechschwarze Haar und diese durchtrainierte Figur. Trotz seiner prekären Lage war er hingerissen.
June Madlow gab ihm die Hand. Er spürte ihre warme Haut und genoss es, endlich einmal wieder ein angenehmes Wesen vor sich zu haben.
»Darf ich die zurückbekommen?«
»Was? Äh, ja, Entschuldigung«, antwortete Torben, ließ die Hand los und errötete nochmals.
Aufmerksam verfolgte Clark die kleine Szene. Passt offensichtlich in sein Beuteschema, dachte er. Umso besser. Er legte June einen Arm um die Schulter.
»Miss Madlow wird Sie nach New York begleiten, Mr. Arnström. Dort nehmen Sie an einem Treffen der besten IT-Experten und einiger betroffener Unternehmen teil. Vielleicht begreifen Sie dann, wie brisant die Lage wirklich ist. Bringen Sie unseren Star in sein Quartier, Miss Madlow.«
Dumpf brütete Clark vor sich hin. Er hatte sein Jackett ausgezogen und über den Schreibtischstuhl gehängt. Das Licht in seinem Büro war gedimmt, nur der Monitor des Computers beleuchtete bläulich sein kantiges Gesicht.
Mit raschen Mausklicks ging er die Personalakte von June Madlow durch. Irgendetwas missfiel ihm an ihr, doch er kam nicht recht darauf, was eigentlich. Ihre Referenzen waren glänzend. Die Dreißigjährige hatte eine lupenreine Biografie. Alle Fortbildungen hatte sie mit Bestnoten absolviert. Dennoch war sie für Clark ein Ärgernis. In seinen Augen war sie bei der Spionageabwehr so fehl am Platz wie ein Wildpferd in der Großstadt. Deshalb hatte er sie ein Jahr zuvor als Sonderermittlerin in die Abteilung für Computerkriminalität versetzt. Ihre braun gebrannte Haut mit den keltischen Tattoos an den Handgelenken, ihre reizvolle Figur und ihr Hang zu ausgefallener Freizeitkleidung prädestinierten sie für eine Szene, in der es schwierig war, Agenten einzuschleusen.
Missmutig scrollte er sich durch die Datei. June Madlows militärische Ausbildung war hart gewesen, ihr Training mit dem Kampfhubschrauber Denel AH-2 Rooivalk hatte sie mit Auszeichnung abgeschlossen. Dazu kam ihr technisches Knowhow. Es reichte bei Weitem aus, um sich in Hackerkreisen zu bewegen. In den vergangenen Monaten hatte sie reihenweise Aktivisten von Anonymous beim FBI abgeliefert. Es würde ein Leichtes für sie sein, sich in das kranke Hirn dieses Arnström hineinzuversetzen.
Clark kratzte sich am Kopf und stand auf. Mit dem untrüglichen Instinkt des einstigen militärischen Befehlshabers spürte er, dass es eine Schwachstelle in der beeindruckenden Karriere dieser Agentin gab: ihre Loyalität. Er verlangte bedingungslosen Gehorsam. Doch June Madlow diskutierte gern. Sie stellte Entscheidungen infrage und wollte Begründungen hören. Das war definitiv nicht nach seinem Geschmack.
Nachdenklich ging er zur Bücherwand und holte einen dickleibigen Folianten aus dem Regal. Der war innen hohl und enthielt eine Flasche besten irischen Whiskeys sowie ein sauberes Glas. Brave Penny. Auf die war Verlass. War auch auf June Madlow Verlass?
Während er sich einen Drink eingoss, erinnerte er sich an eine Geschichte, die zu den gern kolportierten Legenden
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