Silent Control | Thriller
Fall hat er gedacht, du wolltest ihm Konkurrenz machen. Für alles andere ist der doch viel zu blöd.«
Zu blöd? Seit dem Gespräch am Morgen war sich Torben da nicht mehr so sicher. Das Blut schoss ihm ins Gesicht. Er spürte, wie seine Wangen glühten.
»O Gott, ich Idiot. Ja, das wird es gewesen sein. Genau deswegen hat er mich heute vor die Wahl gestellt. – Wo ist dieser verdammte Ordner?«
»Wow, Mr. Wichtig hat ein Problem. Schade, jetzt kannst du die Welt nicht mehr retten.«
»Du hast ja keine Ahnung.« Torben startete ein Programm, das seine Festplatten scannte. »Wenn es mir darum ginge, Mr. Wichtig zu sein, hätte ich das Angebot von Wallins angenommen. Hier steht weit mehr auf dem Spiel. Weißt du noch, wie ich dir vor ein paar Wochen erklärt habe, was passieren wird, wenn die Attacken wieder losgehen? Das ist der Auftakt zu einem …«
»Ja, ja – alles ein abgekartetes Spiel«, fiel Nova ihm ins Wort. »Hab’s kapiert.«
Torbens Unruhe steigerte sich von Sekunde zu Sekunde. Alles machte ihn jetzt nervös. Wallins Informationen, der verschwundene Aktenordner, Novas ironische Bemerkungen.
»Nichts hast du kapiert. Demnächst drehen sie das Netz ab. Stell dir das mal vor! Ich glaube langsam, dass Anonymous eine ganz andere Rolle spielen, als man es uns glauben machen will. Woher wissen wir denn, ob Anonymous nicht längst von Geheimdiensten unterwandert wurden?«
Nova wischte sich einen Kuchenkrümel von der Unterlippe. »Die gute, alte Verschwörungstheorie. Meinst du, es ist wirklich was dran?«
»Nova, wach auf! Es geht nicht um Verschwörung. Im Grunde genommen kannst du mit diesem Wort alles totschlagen. Es geht um Interessen und Macht. Und das Internet bedroht die alten Machtstrukturen. Aber worüber sich die wenigsten Gedanken machen, ist, welche Art von Kontrolle das Netz den alten Machthabern bietet. Kannst du dich an die Geschichte in Bahrain erinnern? Deutsche Spionagesoftware wurde geliefert, und einige Tage später wurden wie aus dem Nichts Hunderte Regimegegner verhaftet, und das war nichts gegen das, was jetzt droht.«
Hochkonzentriert starrte Torben auf seine Rechner. Sie waren sauber. Gott sei Dank. Keine Spur von einem ungebetenen Besucher. Er atmete auf. Als er zu Nova blickte, wedelte sie mit dem vermissten Ordner herum.
Er sprang auf. »Wo hast du den jetzt her?«
»Ich habe drauf gesessen, du paranoider Nerd.«
Hastig nahm er ihr den Ordner ab und blätterte darin. Es schien nichts zu fehlen. Erleichtert sank er auf seinen Stuhl zurück. Dennoch, hier stimmte was nicht. Er legte nie etwas auf dem Schemel ab. Nie. War etwa jemand in seinem Büro gewesen? Fieberhaft erwog er diese Möglichkeit. Das Türschloss war leicht zu knacken, eine Kleinigkeit für einen Profi. Aber wer interessierte sich schon für seine Arbeit? Grimmig schlug er den Ordner zu. »Verspotte mich ruhig. Ich bin fast fertig mit dem Programm, und dann ist Schluss mit lustig.«
Nova war sichtlich neugierig geworden und versuchte, ihm den Ordner zu entwinden.
»Untersteh dich!«
»Hey, jetzt mach mal nicht auf geheimnisvoll. Wir kennen uns lange genug. Du kannst mir vertrauen. Und ich glaube, es wäre ganz gut, wenn dir jemand ab und zu auf die Finger schaut. Sonst stellst du vielleicht noch einen Riesenblödsinn an.«
Torben presste den Ordner an sich. »Vielleicht mache ich uns alle arbeitslos.«
Nova kommentierte seine Worte mit einem ungläubigen Grinsen. Doch als sie ihm in die Augen schaute, verlosch ihr Grinsen. Eine ungewohnte Entschlossenheit, ja Härte, lag in seinem Blick.
»Meinst du das etwa ernst?«
»Was sonst?« Torben hatte seine Fassung wiedergewonnen und begann das Prinzip seines Programms Spygate zu erläutern. »Es funktioniert zusammen mit einem Wurm, der sich frei durch das Netz bewegt. Selbst im Fall seiner Entdeckung werden sich alle die Finger wund tippen, sollten sie versuchen, ihn zu löschen. Der Wurm erschafft sich wie ein Perpetuum mobile so lange wieder selbst, bis der Code irgendwann entschlüsselt wird.« Torben war aufgestanden und schritt auf und ab. »Aber bis sie das geschafft haben, arbeiten Wurm und Spygate im Netzwerk unzertrennlich zusammen.«
Nova sah ihn ungläubig an. Was er hier gerade auftischte, war ungeheuerlich. »Ich ahne, worauf du hinauswillst.«
»Helles Köpfchen! Der Wurm wird sich zunächst in den Nervenzellen des Internets schlafen legen, um erst mit einer gewissen Zeitverzögerung aufzuwachen. Er funktioniert wie ein unsichtbarer
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