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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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uns schon so schnell wieder verlassen? Ihr werdet nicht weit kommen, wisst ihr …?« Dann erlosch das Licht hinter ihnen, und sosehr George sich umdrehen und nachsehen wollte, ob der Mann noch dort war, unterließ er es doch.
    Als sie um die Ecke gingen, sagte Silenus: »Ihr bleibt direkt vor diesem Fenster stehen, beide. Und schaut in den Laden.« George tat, wie geheißen, und sah, dass sie ihre eigenen Spiegelbilder anstarrten. Silenus streifte einen Handschuh ab, stopfte ihn in die Tasche und zog das Monokel hervor. »Hier«, sagte er und reichte es George. »Du scheinst ihnen gegenüber empfindlicher zu sein als jeder von uns. Immerhin kannst du die Mistkerle hören. Jetzt behalte sie im Auge und sag mir Bescheid, wenn sie näher kommen.«
    George musterte das Monokel in seiner Hand. Es war so verkratzt, dass es schon undurchsichtig sein musste. Dennoch hielt er es vor sein Auge und schaute hindurch. Die ganze Welt zeigte sich plötzlich in einem milchigen Weiß, in dem keine erkennbaren Formen oder Gebäude enthalten waren, doch in all dem Weiß konnte er schwarze Gestalten und dunkle Schatten sehen, die sich langsam auf sie zubewegten. Keuchend wandte er sich ab und erkannte, dass er eine Ziegelmauer anstarrte.
    »Was ist das?«, fragte George. »Kann man damit durch Wände sehen?«
    »Das ist Blitzsinter«, sagte Silenus, zog ein kleines Messer hervor, schnitt sich vorsichtig in einen Finger und ließ das Blut in seine Handfläche tröpfeln. George erschrak, doch Silenus fuhr ungerührt fort: »Es entsteht, wenn ein Blitz in Sanddünen einschlägt. Wenn man es auf die richtige Art schleift, dann wird es sehr empfindlich für Licht und Dunkelheit. Ganz besonders für die Dunkelheit, die den Wölfen folgt.«
    »Das sind Wölfe?«, fragte George.
    »Mit diesem Wort kann man sie benennen, ja«, sagte Silenus, schaufelte eine Handvoll Dreck aus dem Rinnstein und vermengte ihn mit dem Blut in seiner Hand. Als er klumpig wurde, spuckte er darauf und knetete weiter. »Wirst du sie jetzt verdammt noch mal im Auge behalten oder nicht?«
    George hob das Monokel wieder an sein Auge. Er sah die Masse aus Finsternis, die sich in den Gassen auf der anderen Seite des Süßwarenladens sammelte. »Sie kommen näher«, sagte er. »Warum bewegen sie sich so langsam?«
    »Weil sie uns keine Fluchtmöglichkeit bieten wollen«, sagte Silenus. »In Ordnung, ich bin hier fertig. Ihr haltet jetzt beide still. Seht einfach in das Fenster und blinzelt nicht.«
    George ließ das Monokel sinken und starrte ins Fenster. Silenus streckte die Hand nach dem Glas aus und fing an, die Mischung aus Blut, Dreck und Speichel um ihre Spiegelbilder zu streichen. Er ging sehr sorgfältig vor und achtete darauf, wirklich jede Unregelmäßigkeit in ihren Reflexionen zu erfassen. Sein eigenes Bild war am heikelsten, denn er musste sich mit immer noch ausgestrecktem Arm zeichnen. Als er fertig war, blies er auf den Umriss aus Blut und Schmutz und fing an, an einer Ecke zu zupfen.
    »Was machen Sie da?«, fragte George.
    »Klappe halten«, herrschte Silenus ihn an.
    »Ja, bitte«, stimmte Kingsley zu.
    George war drauf und dran, ihnen eine ärgerliche Antwort zu erteilen, hielt aber inne, als ihm etwas auffiel: Obwohl sie alle gesprochen hatten, hatten sich die Münder ihrer Spiegelbilder nicht bewegt.
    Als Silenus lange genug an der Ecke gezupft hatte, packte er sie mit Daumen und Zeigefinger und fing an zu ziehen. George hatte angenommen, sie würde einfach herabrieseln, doch die Umrisse schienen zu halten, als wären sie aus Harz gemacht. Und dann sah George, dass Silenus mehr als nur die Umrissen von der Scheibe schälte; da war noch etwas, das sich von dem Glas abschälte, etwas Geisterhaftes, Illusorisches …
    Als Silenus das Ding vom Fenster gelöst hatte, fiel es in seinen Händen zusammen wie Stoff oder loses Papier, und er mühte sich, es dazu zu bringen, auf dem Bürgersteig stehen zu bleiben. Und als ihm das gelungen war, sah George, dass sie blasse Versionen ihrer eigenen Gesichter vor sich hatten, wenngleich das von Silenus teilweise hinter seinem Arm verborgen war, der aussah, als würde er nach ihnen greifen. George blickte sich zu dem Fenster um und stellte fest, dass die Scheibe nun leer war. Ihre Reflexionen waren verschwunden; scheinbar waren ihre Spiegelbilder im Fenster von dem Glas abgezogen und auf den Bürgersteig gestellt worden: matte, verzerrte Bilder, stellenweise fehlerhaft dimensioniert und an den Hüften miteinander

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