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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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Anstrengung. Und
endlich fielen die Hantelgewichte frei ins Wasser. Ihre Wade fühlte sich nackt
und leicht an, als die runde Eisenscheibe dumpf auf den Stahlboden fiel.
    Juliette taumelte
zur Seite, festgehalten nur noch von einem Bein, das andere schwebte nach oben.
Vorsichtig schob sie das Messer unter den zweiten Streifen, sie hatte Angst, in
ihren Anzug zu schneiden und einen Schwall kostbarer Luftblasen herausströmen
zu sehen. Mit letzter Kraft riss sie erneut an dem schwarzen Gewebe. Nylonfäden
schwammen vor der Lupe ihres Visiers vorbei. Das Messer zerschnitt den Stoff,
das Gewicht war frei.
    Juliette schrie, als
die Stiefel über ihren Kopf hinaufschnellten. Sie drehte den Oberkörper und
ruderte, so gut sie konnte, in die entgegengesetzte Richtung, stieß aber trotzdem
mit dem Helm gegen ein Rohrbündel an der Hallendecke.
    Ein Schlag, und das
Wasser um sie herum wurde schwarz. Sie tastete nach ihrer Stirnlampe, wollte
sie wieder einschalten, aber sie war nicht mehr da. In der Dunkelheit prallte
etwas gegen ihren Arm. Mit einer Hand tastete sie danach – in der anderen hielt
sie das Messer –, dann rutschte ihr der Gegenstand durch die Handschuhe und war
weg. Während sie sich an ihr Messer geklammert hatte, war ihre einzige
Lichtquelle unsichtbar zu Boden gesunken.
    Außer ihrem
schnellen Atem hörte Juliette nichts. So würde sie sterben – eine weitere
Wasserleiche in den unteren Stockwerken. Es schien ihre Bestimmung zu sein, in
einem dieser Overalls zu sterben, so oder so. Sie trat gegen die Rohre und wand
sich, um freizukommen. Aus welcher Richtung war sie gekommen? Es war
stockfinster. Sie konnte nicht einmal ihre eigenen Arme vor Augen sehen. Das
war schlimmer, als blind zu sein – sie wusste, dass ihre Augen funktionierten,
konnte aber nicht das Geringste wahrnehmen. Ihre Panik nahm zu, zumal die Luft
in ihrem Anzug allmählich abgestanden schmeckte.
    Die Luft!
    Sie griff nach ihrem
Kragen und fand den Schlauch, konnte ihn durch die Handschuhe gerade noch
spüren. Juliette holte ihn ein, eine Hand nach der anderen, als würde sie einen
Minenkübel aus einem tiefen Schacht heraufziehen.
    Sie hatte den
Eindruck, Hunderte von Metern von Schlauch durch ihre Hände zu ziehen. Die
Schlaufen schwebten in verknäulten Bündeln um sie herum, glitten an ihr vorbei
und prallten an ihr ab. Ihr Atem ging immer flacher. Sie konnte die Panik nicht
länger zurückhalten. Wie viel Luft kostete sie ihr Adrenalinschub, ihre Angst?
Plötzlich stand ihr mit Grauen vor Augen, dass der Schlauch, an dem sie zog,
durchgeschnitten, an der Treppe durchgerieben worden sein und das lose Ende
jeden Moment durch ihre Finger rutschen könnte, dass ihr nächster Griff nach
der Rettungsleine in einer Handvoll tintenschwarzem Wasser enden könnte …
    Doch plötzlich
begann sich der Schlauch zu spannen. Es war zwar nicht mehr viel Luft darin,
aber die Leine war trotzdem ihre letzte Verbindung zum Leben – sie führte nach
oben!
    Juliette schrie in
ihrem Helm auf. Sie zog sich vorwärts, ihr Helm schlug an ein Rohr, sie prallte
an der Decke ab. Immer weiter holte sie mit dem Arm in der Dunkelheit aus,
tastete nach dem Schlauch, fand ihn, griff zu und zog sich durch die
nachtschwarze Suppe zwischen den Ertrunkenen und Toten hindurch. Sie fragte
sich, wie weit sie kommen würde, bevor sie ihren letzten Atemzug verbraucht
hatte und sich zu ihnen gesellte.

67. KAPITEL
    Silo
18
    Lukas
saß mit seiner Mutter in der Tür zum Serverraum. Er sah auf ihre Hände, die sie
auf seine Hand gelegt hatte. Sie ließ los und zupfte eine Fluse von seiner
Schulter.
    »Und dann sollst du
befördert werden?«
    Lukas nickte. »Ja,
ich werde schnell Karriere machen.« Er sah an ihr vorbei in den Flur, wo
Bernard und Billings standen und leise miteinander redeten. Bernard hatte die
Hände in die Bauchtaschen seines Overalls gesteckt, Billings blickte hinunter
und inspizierte sein Gewehr.
    »Aber das ist ja
großartig, Schatz. Da kann ich es viel leichter ertragen, dass du weg bist.«
    »Ich glaube nicht,
dass es noch sehr viel länger dauert.«
    »Wirst du wählen
dürfen? Ich kann gar nicht glauben, dass mein Sohn so wichtige Dinge tut!«
    Lukas sah sie an.
»Wählen? Ich dachte, die Wahl wäre verschoben worden.«
    Sie schüttelte den
Kopf. Ihr Gesicht wirkte faltiger als noch vor einem Monat, ihr Haar grauer.
Lukas überlegte, ob eine solche Veränderung in so kurzer Zeit überhaupt möglich
war.
    »Sie soll nun doch
stattfinden«, sagte sie.

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