Silo: Roman (German Edition)
geherrscht, aber sie war verliebt gewesen. War ihr
Leben jetzt besser?
»Ein bisschen
schneller.« Das Schweigen im Äther machte Walker ungeduldig. Sie hatten ein
paarmal ein Rauschen gehört, aber keine Stimmen. Shirly drehte den Knopf ein
wenig schneller.
»Meinst du, die
Antenne ist vielleicht …?«, fing sie an.
Walker hob die Hand.
Aus dem Kopfhörer in seinem Schoß war ein Knistern zu hören.
… Solo? Hier
Juliette. Kannst du mich hören? Was ist los da oben?
Shirly riss vor
Schreck den Knopf heraus und ließ ihn fallen.
Ihre Hände waren
taub, ihre Fingerspitzen kribbelten. Sie blickte mit offenem Mund auf Walkers
Schenkel, von denen die Geisterstimme aufgestiegen war, und sah, dass er
benommen auf seine Hände starrte.
Sie rührten sich
beide nicht. Die Stimme, der Name – es konnte keinen Zweifel geben.
66. KAPITEL
Silo
17
Mit
beiden Händen presste Juliette den schlaffen Atemschlauch zusammen. Ihr Lohn
bestand in ein paar schwachen Blasen, die vor ihrem Visier aufstiegen.
Sie fluchte leise,
drückte ihr Kinn auf den Schalter und rief nach Solo. Irgendetwas musste mit
dem Kompressor los sein, Solo arbeitete vermutlich daran, tankte ihn vielleicht
auf. Sie hatte ihm gesagt, dass er ihn dabei auf keinen Fall ausschalten solle.
Er würde mit dem Gerät nicht umzugehen wissen, ihn nicht wieder starten können.
Das war ein Schwachpunkt ihres Plan gewesen, etwas, das sie nicht sorgfältig
durchdacht hatte. Möglicherweise hatte er den Kompressor tatsächlich
ausgestellt. Und für sie war damit jede Hoffnung auf Atemluft in unerreichbare
Ferne geraten – jede Hoffnung, dass sie überleben würde.
Versuchsweise machte
sie einen Atemzug. Sie hatte noch die Luft, die im Overall eingeschlossen war,
dazu die restliche Luft im Schlauch. Wie viel Luft würde sie allein mit der
Kraft ihrer Lungen aus dem langen Schlauch heraussaugen können? Wohl nicht sehr
viel, vermutete sie.
Juliette warf einen
letzten Blick auf die große Pumpe, ihre schnell zusammengeschraubten
Anschlüsse, die losen Enden der Kabel, die durch das Wasser trieben und die
sie, mit ausreichend Zeit, gegen Erschütterungen und zufällige Belastungen
hätte sichern wollen. Aber das spielte nun kaum mehr eine Rolle, jedenfalls
nicht für sie. Sie stieß sich an der Pumpe ab, ruderte mit den Armen durch die
zähe Flüssigkeit, die sie einerseits zu behindern schien, ihr andererseits
keinen Halt bot, sodass sie sich hätte abstoßen oder voranhangeln können.
Die Gewichte
bremsten sie. Sie bückte sich, um sie zu entfernen, war jedoch wenig
erfolgreich. Ihre schwerelosen Arme, der steife Overall … Sie griff nach den
Klettverschlussstreifen und sah, unnatürlich vergrößert durch ihren Helm und
das Wasser, wie ihre Finger ein paar Zentimeter danebengriffen.
Sie holte tief Luft,
Schweiß tropfte von ihrer Nase und gegen das Innere des Helms. Sie versuchte es
noch einmal und kam mit den Händen immerhin ganz nah an die Gewichte, ihre
Fingerspitzen berührten fast die schwarzen Streifen, sie kugelte sich fast die
Schulter aus, nur um ihre dämlichen Schienbeine zu erreichen.
Aber es ging nicht.
Sie gab auf und machte ein paar Schritte weiter durch die Halle, sie folgte dem
Kabel und dem Schlauch, beide waren in dem schwach weißen Lichtkegel zu sehen,
der von ihrem Helm strahlte. Sie gab sich Mühe, nicht das Kabel zu berühren,
sie wusste, was eine versehentliche Belastung anrichten könnte und wie labil
die Verbindung war, die sie zu der Pumpe hergestellt hatte. Selbst in dieser
Situation dachte sie noch immer wie eine Mechanikerin. Sie verfluchte sich,
weil sie sich nicht mehr Zeit für die Vorbereitungen genommen hatte.
Ihr Messer! Das
Messer fiel ihr ein, sie blieb stehen. Es glitt aus der selbst gemachten
Scheide, die sie ans Vorderteil des Anzugs genäht hatte, und schimmerte im
trüben Licht ihrer Stirnlampe.
Sie bückte sich und
schob die Klinge zwischen Anzug und Klettverschluss. Das Wasser um sie herum
war dunkel. In dem wenigen Licht und auf dem Grund des Maschinenraums, begraben
unter all dem Wasser, fühlte sie sich noch isolierter, noch einsamer und
ängstlicher als in ihrem ganzen bisherigen Leben.
Sie umklammerte das
Messer – allein die Vorstellung, es zu verlieren, war unerträglich – und
bewegte sich aus dem Bauch heraus vor und zurück. Es war, wie Liegestützen im
Stehen zu machen. Mit einer mühseligen sägenden Bewegung versuchte sie die
Klettstreifen zu durchtrennen, sie fluchte in ihren Helm vor
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