Silo: Roman (German Edition)
sich zu
Peter um.
»Kommt schon, Jungs.
Was ist los? Der Arzt hat gesagt, ich kann die Reise machen, und ich habe euch
doch versprochen, dass ich bei Marsh und Hank reingucke, wenn ich Probleme
kriege. Ich muss jetzt los, ich bin sowieso schon spät dran.«
»Okay«, sagte Lukas
seufzend, als hätte er die Hoffnung aufgegeben, dass Peter das Wort ergreifen
würde. »Es ist ja jetzt schon ein paar Wochen her …«
»Und ihr habt dafür
gesorgt, dass es mir so vorkommt, als wären es Monate.« Sie drehte an dem
kleinen Knopf an ihrer Uhr, ein alter Tick, der zurückgekehrt war, als hätte
sie die Uhr nie abgelegt.
Lukas räusperte
sich. »… wir haben dir nicht alle Nachrichten gezeigt, die dir geschickt worden
sind.« Er runzelte die Stirn und hatte offenbar ein schlechtes Gewissen.
Juliette erstarrte.
Es würden noch mehr Namen genannt werden, die traurige Liste würde länger
werden.
Lukas hob die Hände.
»Nein, nein«, sagte er schnell. »Oh Gott, entschuldige, es ist nicht, was du
denkst.«
» Gute Nachrichten«, sagte Peter. »Glückwünsche.«
Lukas warf ihm einen
Blick zu, dem Juliette ansah, dass sie selbst das vielleicht anders sehen
würde.
»Na ja … es sind
zumindest Neuigkeiten .« Lukas sah sie über den Tisch hinweg an. Er hatte
die Hände vor sich gefaltet, sie lagen vor ihm auf dem Konferenztisch, genauso
wie ihre. Sie hätten beide ihre Hände nur um ein paar Zentimeter bewegen
müssen, um sich zu berühren. Die Berührung wäre Juliette nach den vergangenen
Wochen ganz normal vorgekommen. Sie hatten einander ständig an den Händen
gehalten. Aber so etwas taten gute Freunde nun einmal, wenn einer von beiden im
Krankenhaus lag, oder? Juliette dachte darüber nach, während Lukas und Peter
sich über eine erfolgreiche Wahl unterhielten.
»Moment. Was?« Sie
blinzelte und sah von seinen Händen auf.
»Es war das Timing «,
erklärte Lukas.
»Alle haben nur über
dich gesprochen«, sagte Peter.
»Noch mal zurück«,
sagte sie. » Was habt ihr gesagt?«
Lukas holte tief
Luft. »Bernard hatte keinen Gegenkandidaten. Als wir ihn zur Reinigung
geschickt haben, mussten wir die Wahl erst mal absagen. Aber dann hat sich die
Nachricht von deiner wundersamen Rückkehr herumgesprochen, und die Leute sind
trotzdem zum Wählen gekommen.«
»Ziemlich v iele Leute sogar«, fügte Peter hinzu.
Lukas nickte. »Die
Wahlbeteiligung war erstaunlich. Mehr als der halbe Silo.«
»Ja, aber … Mayor ?«
Sie lachte und schaute über den zerkratzten Konferenztisch, auf dem nichts
weiter stand als die unberührten Wassergläser. »Muss ich irgendwas
unterschreiben? Irgendetwas Offizielles, um dem Unsinn ein Ende zu machen?«
Die beiden Männer
sahen sich an.
»Darum geht es ja
gerade«, sagte Peter.
Lukas schüttelte den
Kopf. »Ich hab doch gesagt …«
»Wir hatten gehofft,
dass du die Wahl annimmst.«
»Ich? Mayor ?«
Juliette verschränkte die Arme und lehnte sich unter Schmerzen zurück. Sie
lachte. »Ich habe doch überhaupt keine Ahnung …«
»Die brauchst du
auch nicht«, sagte Peter und beugte sich vor. »Du hast ein Büro, du schüttelst
ein paar Hände und sorgst dafür, dass es den Leuten besser geht.«
Juliette wurde heiß,
und ihre Narben und Wunden begannen noch mehr zu jucken.
»Es ist doch so«,
sagte Lukas, und Peter lehnte sich zurück. »Wir brauchen dich. Wir haben
hier oben ein Machtvakuum. Peter ist derjenige, der seinen Posten schon am
längsten hat, und du weißt ja, wie lange das her ist.«
Sie hörte zu.
»Kannst du dich an
unsere Gespräche auf der Krankenstation erinnern? Wie du mir erzählt hast, wie
es in dem anderen Silo aussieht? Ist dir klar, wie nah wir dran waren, dass es
hier auch so wird?«
Sie nahm sich ein
Glas und trank. Über den Glasrand hinweg sah sie ihn an und wartete darauf,
dass er fortfuhr.
»Wir haben eine
Chance, Jules. Diesen Silo zusammenzuhalten. Ihn zur Normalität zurückzuführen und …«
Sie setzte das Glas
ab und hob die Hand. »Wenn wir das machen«, sagte sie ruhig und sah von einem
erwartungsvollen Gesicht zum anderen. » Falls wir das machen, dann machen
wir es auf meine Art.«
Peter runzelte die
Stirn.
»Keine Lügen mehr«,
sagte sie.
Lukas lachte nervös.
Peter schüttelte den Kopf.
»Hört zu«, sagte
sie. »Das ist nicht verrückt. Es ist nicht das erste Mal, dass ich darüber
nachdenke. Himmel, ich habe wochenlang nichts anderes getan, als über genau
diesen Punkt nachzudenken.«
»Die Wahrheit?«,
fragte
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