Silver Linings (German Edition)
Nr. 84
«Das ist das tollste Geschenk aller Zeiten! Wie habt ihr Baskett dazu gekriegt, das Foto zu signieren?»
«Veronicas Cousin ist Frisör», erklärt Ronnie, «und einer von seinen Kunden ist in der Werbeabteilung der Eagles, deshalb konnten wir ein paar Strippen ziehen. Vinnie sagt, das war das erste Mal, dass sein Kunde um ein Baskett-Autogramm gebeten wurde, und Baskett soll sich sogar richtig gefreut haben über die spezielle Bitte, weil sein Autogramm nicht besonders gefragt ist.»
«Danke, Ronnie», sage ich, und dann umarme ich ihn, wie Männer das so machen, mit einem Arm.
«Frohe Weihnachten», sagt Ronnie zu mir, während er mir kräftig auf den Rücken klopft.
«Also, ich sag’s nur ungern, aber wir müssen Emily ins Bett bringen, bevor der Weihnachtsmann durch den Kamin kommt», sagt Veronica.
Während sie ihre Mäntel anziehen, packt Mom die Geschenke in eine Weihnachtstüte mit lustigen Griffen. Dann bedankt sie sich bei allen, dass sie gekommen sind, und sagt: «Ihr wisst gar nicht, wie sehr Pat und ich uns gefreut haben, dass ihr gekommen seid. Ihr seid dieses Jahr so gut zu uns gewesen. Ihr seid gute Menschen. Ihr alle. Ganz großartige Menschen.» Und dann weint Mom wieder und sagt: «Entschuldigt. Danke. Frohe Weihnachten. Ich bin eine alte Heulsuse. Gott segne euch.»
Kurz bevor alle gehen, nimmt Tiffany meine Hand, küsst mich auf die Wange und sagt: «Frohe Weihnachten, Pat.» Als sie wieder loslässt, habe ich ein kleines, flaches Quadrat in der Hand, aber Tiffanys Blick gebietet mir zu schweigen, also stecke ich das Quadrat in die Tasche und verabschiede mich von Ronnies Familie.
Ich helfe meiner Mutter, das Geschenkpapier aufzuräumen und die Eggnog-Tassen auszuspülen, und dann hält sie mich unter dem Mistelzweig in der Diele fest. Sie zeigt nach oben und lächelt, also gebe ich ihr einen Gutenachtkuss, und sie schlingt mir die Arme um den Hals und drückt mich. «Ich bin so froh, dich gerade jetzt in meinem Leben zu haben, Pat», sagt meine Mutter zu mir und spannt ihre Armmuskeln fest an, zieht meinen Kopf nach unten, bis ihre Schulter gegen meine Kehle drückt und ich nur mehr schwer Luft bekomme.
In meinem Zimmer, im Licht der elektrischen Weihnachtskerze, die Mom mir als Dekoration ans Fenster gestellt hat, falte ich den Brief auseinander, den Tiffany mir zugesteckt hat.
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Brief Nr. 8 – 24. Dezember 2006
Lieber Pat,
ich werde Weihnachten nicht kommen. Ich werde überhaupt nie kommen. Schau nach vorn. Fang neu an. Tiffany und Deine Eltern werden Dir dabei helfen. Ich sage diesmal endgültig leb wohl. Ich werde nicht mehr schreiben, ich werde auch nicht mehr mit Tiffany telefonieren, weil ich mich nicht mehr deinetwegen von ihr anschreien und beschimpfen lassen will. Versuch nicht, Kontakt zu mir aufzunehmen. Die einstweilige Verfügung ist noch immer in Kraft.
Nikki
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Ein Schub scheint unausweichlich
Am Weihnachtsmorgen stehe ich vor Tagesanbruch auf und stemme Gewichte. Ich bin nervös wegen des Wiedersehens mit Nikki heute, also verdoppele ich das Pensum, um meine Anspannung abzubauen. Der Brief, den Tiffany mir am Vorabend zugesteckt hat, deutet darauf hin, dass Nikki kein Interesse daran hat, sich mit mir bei Abenddämmerung an dem speziellen Ort zu treffen, das ist mir klar, aber ich weiß auch, dass in den Filmen gerade dann, wenn die Hauptfigur schon drauf und dran ist aufzugeben, irgendetwas Überraschendes passiert, das dann zum Happy End führt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jetzt die Stelle in meinem Film ist, an der etwas Überraschendes passiert, also vertraue ich auf Gott, der mich garantiert nicht im Stich lassen wird. Wenn mein Glaube stark genug ist, wenn ich zu dem speziellen Ort gehe, wird bei Sonnenuntergang etwas Wunderbares passieren – das spüre ich.
Als ich Weihnachtsmusik höre, lege ich die Hantel weg und gehe nach oben. Meine Mutter brät Rühreier mit Speck. Die Kaffeemaschine läuft. «Frohe Weihnachten», sagt Mom und gibt mir einen Kuss auf die Wange. «Vergiss deine Pillen nicht.»
Ich nehme die orangenen Fläschchen aus dem Schrank und schraube die Deckel ab. Als ich die letzte Pille schlucke, kommt mein Vater in die Küche und wirft die Kunststoffhülle der Zeitung in den Abfalleimer. Dann dreht er sich um und geht Richtung Wohnzimmer, und meine Mutter sagt: «Frohe Weihnachten, Patrick.»
«Frohe Weihnachten», murmelt Dad.
Wir essen Rühreier mit Speck und Toast
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