Silver Linings (German Edition)
– 14. Dezember 2006
Liebe Nikki,
ich glaube aus ganzem Herzen an Happy Ends. Ich habe zu hart daran gearbeitet, mich zu bessern, um meinen Film jetzt einfach abzuschreiben. Weißt Du noch, wo ich Dir den Heiratsantrag gemacht habe? Komm am Weihnachtstag dorthin, wenn es dunkel wird. Das ist das Einzige, worum ich Dich je bitten werde. Aber ich habe das Gefühl, dass Du mir diesen einen letzten Gefallen schuldest. Bitte.
Liebe Grüße
Pat
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Ein kleines, flaches Quadrat in der Hand
Mein Vater weigert sich, Mom zu begleiten, also ziehe ich den neuen Anzug an, den sie mir Anfang des Monats gekauft hat, und gehe mit ihr zur Kerzenschein-Messe in St. Joseph’s. Es ist ein kühler Abend, trotzdem gehen wir die paar Blocks zu Fuß, und schon bald sind wir in dem Allerheiligsten, wo ich vor so vielen Jahren gefirmt wurde. Rote und weiße Weihnachtssterne sind auf dem Altar aufgereiht, und antike schmiedeeiserne Lampen stehen an den Enden der Kirchenbänke Wache, genau wie jedes Jahr Heiligabend. Im Kerzenlicht nimmt sich das Steingebäude noch älter aus – fast mittelalterlich. Und als ich wieder in der Bank sitze, muss ich daran denken, wie Jake und ich noch Jungs waren. Wenn wir damals zur Weihnachtsmesse gingen, waren wir immer ganz aufgeregt, weil wir den nächsten Tag kaum erwarten konnten, an dem wir die vielen Geschenke aufreißen würden. Aber heute Abend sind Mom und ich allein, weil Jake und Caitlin den Heiligen Abend bei Caitlins Eltern in New York verbringen und Dad zu Hause ist und Bier trinkt.
Nach einigen Ankündigungen und Weihnachtsliedern spricht der Priester über Sterne und Engel und Krippen und Esel und Wunder, und irgendwann, mitten in der Geschichte, fange ich an zu beten.
Lieber Gott, ich weiß, es müsste schon ein Wunder geschehen, damit Nikki morgen zu dem Ort kommt, wo wir uns verlobt haben, aber zum Glück glauben Du und ich ja beide an Wunder. Während ich hier sitze und darüber nachdenke, frage ich mich, ob Du wirklich an Wunder glaubst, denn schließlich bist Du ja allmächtig und kannst alles bewirken. Das heißt im Grunde, es ist für Dich nicht schwieriger, dafür zu sorgen, dass Nikki morgen kommt, oder das Jesuskind in die Jungfrau Maria einzupflanzen, als, sagen wir, Dir ein Eagles-Spiel anzusehen – was ziemlich leicht ist, seit Ersatz-Quarterback Jeff Garcia nun schon drei Siege hintereinander eingefahren hat. Es ist irgendwie seltsam, wenn ich jetzt darüber nachdenke. Falls Du die Welt in nur einer Woche geschaffen hast, kann es für Dich kein Problem gewesen sein, Deinen Sohn auf die Erde zu senden, um eine Mission auszuführen. Aber ich bin trotzdem froh, dass Du Dir die Zeit genommen hast, uns Jesus zu schicken, damit er uns alles über Wunder lehrt, weil die Möglichkeit, dass ein Wunder geschehen könnte, viele Menschen hier unten nicht aufgeben lässt. Ich brauche Dir nicht zu erzählen, dass ich seit Beginn der Auszeit ganz schön hart daran arbeite, mich zu bessern. Ich möchte Dir sogar dafür danken, dass Du mein Leben aus den Fugen gebracht hast, weil ich mir nämlich nie und nimmer die Zeit genommen hätte, an meiner Persönlichkeit zu arbeiten, wenn ich nicht an den schlimmen Ort geschickt worden wäre, und dann hätte ich auch Cliff und Tiffany nicht kennengelernt, und ich weiß, dass diese Reise nicht ohne Grund geschehen ist. Ich bin sicher, dass es einen göttlichen Plan gibt, und aus diesem Grund glaube ich, dass Du dafür sorgen wirst, dass Nikki morgen kommt. Ich möchte Dir im Voraus für Deine Hilfe dabei danken, meine Frau zurückzugewinnen. Ich freue mich schon auf die kommenden Jahre, wenn ich Nikki so behandeln kann, wie eine Frau behandelt werden sollte. Noch was: Wenn es nicht allzu große Umstände macht, lass doch bitte die Eagles am Weihnachtstag gewinnen. Mit einem Sieg über die Cowboys wären die Eagles nämlich auf Platz eins, und dann hätte mein Dad wahrscheinlich gute Laune und würde vielleicht sogar wieder mit Mom und mir sprechen. Es ist seltsam, obwohl die Eagles Chancen auf die Play-offs haben, ist Dad dieses Jahr Weihnachten ein ausgemachter Griesgram, und darüber ist Mom ziemlich traurig. Ich habe sie schon ein paarmal weinen sehen, aber das weißt Du wahrscheinlich selbst, da Du ja allwissend bist. Ich liebe Dich, Gott.
Ich bekreuzige mich genau in dem Moment, als der Priester mit der Predigt fertig ist, und dann werden die Kerzen verteilt und angezündet, während alle «Stille Nacht» singen. Mom
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