Silvy macht ihr Glück
da?“
„Doch, gnädige Frau. Er ist erst kürzlich ausgewechselt. Ich sah es eben, als ich den Wagen wusch. Hier, das rechte Hinterrad war längst nicht so schmutzig wie die anderen.“
„Aha“, sagte Frau Allen. „Das muß einmal passiert sein, als ich selbst nicht im Auto gesessen habe. Gut. Sie müssen den Reifen zur Werkstatt bringen. Sonst noch etwas?“
„Ich habe den Wagen noch nicht gefahren, gnädige Frau, nur eben aus der Garage. Aber es kommt mir so vor, als ob eine Inspektion nötig sei.“
„So? Nun, wir werden daran denken und es demnächst machen lassen. Haben Sie Ihr Zimmer gesehen, und möchten Sie irgend etwas fragen?“
„Danke, gnädige Frau. Ich habe schon ausgepackt und bei Magnhild gefrühstückt. Ich glaube nicht, daß ich noch etwas zu fragen habe.“
„Schön. Können Sie den Wagen in einer Stunde bereithalten? Ich habe einige Besorgungen zu machen.“
„Jawohl, gnädige Frau.“
Genau nach einer Stunde stand der Wagen frisch geputzt und schimmernd vor der Eingangstür, und an der Seite stand Sylvi in ihrem dunkelblauen Kostüm und mit der blauen Chauffeurmütze auf dem Kopf. Frau Allen lächelte. „Sieh mal an! Sie sind ja sozusagen in Livree. Also fahren Sie bitte zum Kaufhaus Steen & Ström.“
„Jawohl, gnädige Frau.“
Sylvi öffnete die Wagentür und half Frau Allen beim Einsteigen.
Der Motor summte wie eine zufrieden schnurrende Katze, als Sylvi den großen Wagen zwischen die Portalpfosten manövrierte, den Hauptweg hinunter und stadteinwärts fuhr. Und Sylvi hätte am liebsten gesungen vor Freude.
Frau Allen warf ab und zu einen prüfenden Blick auf ihren Chauffeur. Sylvi war hübsch, das war eine Tatsache. Höflich – ja, sie konnte gar nicht höflicher sein. Aber es war nichts Unterwürfiges dabei, nichts Gekünsteltes. Und fahren konnte sie auch. Sie fuhr so sicher, so korrekt und ruhig, daß es ein Vergnügen war. Mit Absicht wählte Frau Allen die verkehrsreichsten Straßen. Sylvi lächelte in sich hinein. Sie verstand, daß dies eine Probe sein sollte. Und sie fühlte sich sicher. Aber die Inspektion ist wirklich nötig, dachte sie dann. Irgend etwas im Motorgeräusch war nicht in Ordnung.
„Halten Sie an, Fräulein Eriksen!“
Sylvi fuhr an die Kante des Gehsteiges und stoppte. Sie waren in einer der großen Geschäftsstraßen.
Frau Allen lehnte sich aus dem Wagen und winkte.
„Hallo, Emmy, bist du auf dem Heimweg? Willst du mitfahren?“
Die Angesprochene wandte den Kopf.
„Nein, bist du das, Tante Constanze? Da hatte ich aber Glück.“
Sylvi sprang aus dem Wagen, öffnete „Emmy“, einer Dame in den Dreißigern, die Wagentür und befreite sie von ihren zahllosen Paketen, die sie neben sich auf den Vordersitz legte.
„Aber, meine Liebe…“, sagte Emmy.
„Was sagst du dazu, Emmy, daß ich jetzt einen weiblichen Chauffeur habe?“
„Traust du dich denn, Tante? Kann sie wirklich fahren?“ fragte Emmy auf englisch.
„Ja, und außerdem spricht sie gut Englisch, Emmychen!“
Sylvi mußte die Lippen zusammenpressen, um nicht laut zu lachen.
„Also dann fahren wir jetzt weiter, Fräulein Eriksen.“
„Jawohl, gnädige Frau, aber wohin?“
„Ach ja, das müssen Sie ja wissen. Nach Bekkelaget. Gleich neben der Station. Ich sage Ihnen Bescheid, wann Sie abbiegen sollen.“
„Jawohl, gnädige Frau.“
Das silbergraue glänzende Auto glitt schnurrend über die Chaussee, und Sylvi fühlte sich leicht und froh.
3
Es war unglaublich, wie gut Magnhild und Klara über alles Bescheid wußten, was in den Wohnzimmern und in Frau Allens Umgangskreis vor sich ging. Sylvi wurde bereits am ersten Abend so einigermaßen informiert. „Emmy“ die sie heimgefahren hatte zu ihrer Villa in Bekkelaget, war Frau Allens Nichte, oder richtiger gesagt, die Nichte des verstorbenen Generalkonsuls. Frau Brach, geborene Allen. Ab und zu hatte Frau Allen auch Besuch von ihrem Neffen, dem Disponenten Rehner. Der sei ein netter und umgänglicher Mann, der oft ein kleines Kompliment oder einen Scherz machte, wenn Klara ihm die Tür öffnete. Aber sein Kompagnon Hernäs, der auch hier im Hause verkehrte, jedenfalls bei den größeren Gesellschaften, der sei weniger sympathisch. Einmal hätte es mit ihm beinahe einen Skandal gegeben. Er hatte sich derart betrunken, daß Jensen, der frühere Chauffeur, die größte Mühe hatte, ihn heimzubringen.
„Na“, sagte Sylvi, „da steht mir ja was Nettes bevor. Ich weiß nicht, ob ich mich dazu eigne,
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