Silvy macht ihr Glück
Kardanwelle“, fiel ihr ein. Sie trat auf die Kupplung und bremste ganz leicht, ihr rechter Fuß wechselte vom Bremspedal zum Gas, ihre rechte Hand lag am Schalthebel. Ein Ruck – und der langsame erste Gang hielt den großen schweren Wagen zurück.
Im nächsten Augenblick geschah es: Ein Krachen ließ sie zusammenfahren. Der ganze Wagen vibrierte. Instinktiv trat Sylvi auf die Bremse, doch ihr rechter Fuß fand keinen Widerstand.
„Die Bremsleitung! Die Welle hat die Bremsleitung durchschlagen!“ schoß es ihr durch den Kopf. Sie griff nach der Handbremse, wußte aber im selben Moment, daß die Bremskraft nicht ausreichen würde, den schweren Wagen aufzufangen.
„Fräulein Eriksen!“ Es war ein angstvoller, entsetzter Ausruf. „Ich kann nicht halten“, dachte Sylvi. „Ich weiß, ich kann nicht halten. Ich muß es schaffen, uns diesen Hang heil hinunterzukriegen.“ Sie biß sich in die Unterlippe, die Handknöchel um das Lenkrad waren weiß. Sie antwortet nicht auf Frau Allens mahnenden Ruf. Ihre Augen waren auf den schmalen, sandigen Wegen geheftet.
„Wenn wir einem Auto begegnen, mein Gott, wenn wir jemand begegnen…“ Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als sie das herannahende Auto gewahrte.
Ein Stück vor sich sah sie die eine der kleinen Ausweichstellen, wo eine Vorbeifahrt möglich war. Hier lag die einzige Chance. Sie mußte diese Ausweichstelle gleichzeitig mit dem anderen Wagen erreichen.
Sie schätzte die Entfernung – so, jetzt waren es nur noch wenige Meter –, dann trat sie auf die Kupplung, und in sausender Fahrt schossen sie an dem anderen Auto vorbei.
„Festhalten!“ schrie Sylvi. Sie ließ die Kupplung los, und das ganze Getriebe stöhnte, als der Gang mit einem Ruck wieder faßte.
„Um Gottes willen – “, kam es vom Hintersitz.
„Ruhig!“ rief Sylvi. „Festhalten! Gleich haben wir’s geschafft!“
Ein Stückchen verlief der Weg jetzt eben. Dann ging es leicht aufwärts, eine kleine Steigung – jetzt mußte, mußte sie den Wagen zum Stehen bringen!
Das Tempo ließ nach, als es aufwärts ging. Aber zum Stehen kam der Wagen nicht. Und gleich würde es wieder abwärts gehen.
Hier war die einzige Möglichkeit. Neben dem Weg befand sich ein Streifen lockeren Sandes, dann kam ein Graben, nicht besonders tief. Sylvi stellte den Motor ab und lenkte den Wagen nach rechts in den sandigen Streifen. Das rechte Vorderrad glitt in den kleinen Graben, aber der Wagen stand.
Sie drehte sich um. Das blonde Haar klebte naß vor Schweiß an ihrer Stirn, und die Unterlippe war blutig, aber auf ihrem bleichem Gesicht lag ein kleines, angestrengtes Lächeln.
„Wie geht es Ihnen, Frau Allen? Sind Sie heil?“
„Fräulein Eriksen, was war los, um Gottes willen?“
„Die Bremsen versagten. Dies hier war meine einzige Chance, den Wagen zum Stehen zu bringen.“
Frau Allen blickte Sylvi entsetzt an.
„Kind“, sagte sie nur, und jetzt war auch sie bleich.
Da lächelte Sylvi. „Es ist ja gutgegangen, gnädige Frau. Aber ich kann nicht weiterfahren.“
„Selbstverständlich nicht. Verschnaufen Sie ein wenig, liebes Kind. Dann werden wir ein Telefon suchen und eine Werkstatt anrufen.“
Sylvi bestand darauf, mit in die Werkstatt zu fahren. Sie wollte dabeisein, wenn das Auto untersucht wurde. Sie wollte diesen silbergrauen Riesen gründlich kennenlernen.
Spät am Nachmittag kam sie müde und hungrig nach Hause.
„Die Gnädige will mit dir sprechen“, sagte Klara.
„Jetzt gleich?“
„Ja, du solltest gleich kommen, wenn du hier aufkreuzt.“
Sylvi seufzte. Sie hatte im Augenblick nur zwei Wünsche: Essen und ein Bad.
„Liebes Kind“, empfing sie Frau Allen, „wie geht es Ihnen?“
Sylvi lächelte, aber es war ein müdes Lächeln.
„Danke, gnädige Frau. Ich bin bloß hungrig und, aufrichtig gesagt, reif für ein Bad.“
„Sie waren wirklich ganz großartig, Fräulein Eriksen. Ich habe eben mit der Werkstatt gesprochen. Ich mache mir schreckliche Vorwürfe, weil ich nicht sofort die Inspektion machen ließ. Sie hatten das doch schon am ersten Tag erwähnt.“
„Mein Fehler, gnädige Frau. Ich hätte Ihnen erklären müssen, daß etwas passieren könnte.“
„Sie haben es gesagt und damit Ihre Pflicht erfüllt. Also hören Sie, gehen Sie jetzt in mein Badezimmer, und nehmen Sie ein Bad.“
„Ich kann doch im Keller baden, gnädige Frau.“
„Tun Sie, was ich sage. Im Kellerbad muß geheizt werden, bei mir ist warmes Wasser. Und für den
Weitere Kostenlose Bücher