Silvy macht ihr Glück
- Aber natürlich! Warum nicht? Ja, warum eigentlich nicht? Ich werde mich melden.“ Und Sylvis Augen glänzten.
Generaldirektor Stahr empfing Sylvi herzlich und ein wenig erstaunt, als sie am nächsten Vormittag in sein Büro kam.
„Nein, so was, kommt die kleine Sylvi mich besuchen? Was hast du denn auf dem Herzen, mein Kind?“
„Du mußt mir helfen, Onkel Nils“, sagte Sylvi. „Wenn dich jemand fragen sollte, ob ich Auto fahren kann, was würdest du da sagen?“
„Daß es auf der ganzen Welt mit sämtlichen Erdteilen keinen Chauffeur gibt, dem ich mich lieber anvertrauen möchte.“
„Onkel Nils, du bist ein sympathischer Mann. Kann ich das schriftlich bekommen, aber in nüchternen Worten?“
„Was hast du eigentlich vor, liebes Kind?“
„Ich will mich um eine Stellung als Privatchauffeur bewerben, bei Frau Generalkonsul Allen. Aber du und Tante Inge sind die einzigen Menschen, die sich über meine Fahrtüchtigkeit äußern können, das heißt über meine Fähigkeit als Chauffeur. Schließlich habe ich doch die Tour mit euch und Vati im vorigen Jahr ganz fein bewältigt, oder nicht? Sowohl die Alpenpässe in der Schweiz als auch den Riesenverkehr in Paris. Und ich schlich mich doch ganz nett an Bord von allen Fähren. Und als ich damals in Holland einen Reifen auswechseln mußte, nahmst du die Zeit ab und sagtest, ich hätte den Geschwindigkeitsrekord…“
„Stimmt alles genau“, sagte Direktor Stahr. Er hatte schon seinen Füller in der Hand. „Also: Hiermit wird bestätigt, daß Fräulein Ecker…“
„Nein, warte, Onkel Nils! Weißt du, auf meinem Taufschein steht doch Eriksen. Den Namen Ecker will ich lieber verschweigen. Die ganze Geschichte ist ja noch so neu, daß die Leute sagen: Ach die Ärmste, sie ist also die Tochter von dem Ecker, der ein so trauriges Ende nahm. Ja, für die müssen wir wohl etwas tun. - Ich will kein Mitleid, verstehst du, Onkel? Ich will Arbeit.“
„Doch, Mädchen, das verstehe ich. Also schreiben wir das Zeugnis für Fräulein Eriksen.“
Dieses Zeugnis hatte Sylvi in ihrer Handtasche, als sie das Büro von Onkel Nils verließ, und es war derart, daß es ihr eine Anstellung beim amerikanischen Präsidenten hätte verschaffen können.
Sylvi trug ein schlichtes dunkelblaues Kostüm und einen kleinen runden Filzhut. In dieser Kleidung wirkte sie einfach und solide. In ihrer Handtasche lag, was sie an Zeugnissen hatte auftreiben können. Das Gesundheitsattest vom Bruder war ja so, daß man überzeugt sein mußte, in dieser jungen Dame die Inkarnation der Gesundheit zu sehen. Sie hatte auch das Papier über ihr bestandenes Abitur und – am besten von allem – ein Zeugnis, daß sie ein ganz hervorragender Chauffeur war.
Frau Allens Villa lag vornehm zurückgezogen hinter Efeumauern und Hecken. Stille, Nachmittagsfrieden und Sonnenschein lagen über dem grünen Dach und den weißen Mauern. Der Kies knisterte leise unter Sylvis Schuhen, als sie die Allee entlang auf den Eingang zuschritt.
Sie hob die Hand, um zu klingeln, aber dann zögerte sie. Sie wollte sich doch um die Chauffeurstellung bewerben. War es da nicht korrekt, die Hintertreppe zu wählen? Also ging sie um das Haus herum und klingelte an der Hintertür.
Ein Hausmädchen öffnete ihr. Sie sah Sylvi zwar erstaunt an, als sie den Grund ihres Besuches erfuhr, ließ sie aber eintreten.
Frau Allen saß an einem mächtigen Schreibtisch in einem großen, mit massiven dunklen Möbeln eingerichteten Raum. Offenbar waren dies das Arbeitszimmer und der Schreibtisch ihres verstorbenen Mannes, denn Frau Allen war Witwe. Sie war etwa sechzig Jahre alt und wirkte hübsch und gepflegt.
„So, Sie möchten also Chauffeur werden, mein Fräulein?“ begrüßte sie Sylvi, und ein kleines Lächeln lag um ihre Mundwinkel. „Welche Qualifikationen haben Sie dafür?“
„Vielleicht möchten Sie meine Zeugnisse ansehen, gnädige Frau“, erwiderte Sylvi. Sie legte die Papiere vor Frau Allen hin und blieb stehen.
„Setzen Sie sich“, sagte Frau Allen, während sie das Zeugnis von Generaldirektor Stahr las.
„Sieh mal an“, sagte sie nur.
Dann warf sie einen Blick auf das Gesundheitsattest und wandte sich Sylvi zu.
„Und was tun Sie jetzt?“
„Zur Zeit wohne ich bei Doktor Ecker.“
„Sind Sie dort Chauffeur?“
„Nur ab und zu. Gewöhnlich fährt der Herr Doktor selbst, aber ich halte sein Auto in Ordnung. Und außerdem helfe ich Frau Ecker etwas bei den Kindern.“
„Können Sie
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