Silvy will die Erste sein
immerhin ist es ja
gebrochen!“
„Aber weh tun dürfte es
trotzdem nicht mehr. Vielleicht muß der Gips wieder aufgemacht werden...“
„Du liebe Zeit!“ rief Ruth.
„Ja, das wäre schrecklich“,
sagte Leonore, „dann hat sie eine ganze Woche umsonst in der Klinik gelegen,
und alles fängt noch einmal von vorne an. Und ich hatte so gehofft, daß sie
bald nach Hause käme, damit ich meine Party nachholen kann.“
„Wenn das deine ganzen Sorgen
sind“, sagte Katrin, „dann bist du zu beneiden. Mach dir nur unseretwegen keine
Gedanken. Wir haben bisher ohne deine Party gelebt und werden es auch weiter
können.“
„Außerdem“, setzte Silvy hinzu,
„werden die berühmten Kanapees ja auch ohne uns nicht sauer geworden sein.“
Leonore fuhr hoch. „Wieso? Wie
meinst du das?“
„Daß ihr sie allein gegessen
haben werdet.“
Leonore wartete darauf, daß
eine der Freundinnen für sie Partei ergriff, aber niemand rührte sich.
„Ich hätte sie euch ja
schließlich nicht mit in die Schule bringen können“, sagte sie.
Wieder sagte niemand etwas, und
Leonore, die seit dem Unfall ihrer Mutter nahe am Wasser gebaut hatte, spürte,
wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
„Ich habe euch die Geschenke
zurückgeben wollen“, sagte sie, „aber als ich aus dem Krankenhaus zurückkam, da
hatten Peter und Paul sie schon ausgepackt, und Andy hatte in Olgas schönes
Buch einen dicken Schokoladenfleck gemacht und...“
Ruth erbarmte sich ihrer. „Du
brauchst dich nicht zu entschuldigen, Leonore, geschenkt ist geschenkt, und
wiedernehmen ist verboten. Wir haben dir ja nichts wegen der Party gegeben,
sondern weil du Geburtstag hattest.“
„Ich hole die Party nach, ganz
bestimmt!“ versprach Leonore mit erstickter Stimme.
Jetzt rang sich auch Katrin zu
einer gewissen Großzügigkeit durch. „Darauf kommt es doch nicht an, Leonore, wie
oft soll ich dir das noch sagen. Hauptsache, deine Mutter wird recht bald
gesund. Mehr wünschen wir ja gar nicht.“
Nur Silvy sagte nichts.
Die Erinnerung an den Unfall
hatte die Stimmung der Mädchen gedämpft; alle waren sie nachdenklich geworden;
die Lust zum Streiten war ihnen vergangen.
„Wo die anderen bloß bleiben?“
fragte Ruth. „Sie müßten doch eigentlich schon längst hier sein. Oder etwa
nicht?“
„Vielleicht haben sie auch
unterwegs haltgemacht, und Mohrchen hält ihnen einen Vortrag!“ meinte Silvy.
Aber das war nicht sehr
überzeugend, und plötzlich wurde es ihnen ein bißchen bänglich zumute. Der Wald
wirkte auf einmal sehr groß und sehr still, und selbst das Zwitschern der Vögel
klang nicht mehr ermutigend.
„Das ist doch sehr komisch“,
sagte Ruth, „was sollen wir jetzt tun?“
„Abwarten“, erklärte Katrin,
„etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig.“
„Wieviel Uhr ist es?“ fragte
Leonore. „Wenn wir hier herumsitzen, komme ich niemals rechtzeitig in die Stadt
zurück.“
„Mach uns bloß nicht nervös“,
sagte Silvy.
Eine Weile kauerten sie
schweigend da und lauschten angestrengt, aber es war nichts zu hören als das
Rauschen in den Wipfeln und hie und da ein Knacken in den Zweigen und der dünne
Gesang der Vögel, aber weit und breit keine menschliche Stimme.
Katrin sprang auf und lief ein
paar Schritte zurück, dann wandte sie sich wieder zu den anderen um. „Freunde“,
sagte sie, „machen wir uns nicht länger etwas vor. Wir haben uns verirrt wie Hänsel
und Gretel im tiefen Wald!“
Verirrt
Jetzt sprangen auch Silvy,
Leonore und Ruth auf und starrten einander fassungslos an; es dauerte Sekunden,
bis sie Katrins Feststellung verarbeitet hatten.
„Was nun?“ rief Ruth endlich
verzweifelt. „Was sollen wir jetzt nur tun!?“
„Ich muß doch zu meiner
Mutter!“ jammerte Leonore. „Wenn ich nicht rechtzeitig in die Stadt
zurückkomme...“
Silvy fiel ihr ins Wort. „Da
gibt es nur eins“, sagte sie, „wir müssen zurück, marsch, marsch.“
„Womit du ausnahmsweise einmal
recht haben dürftest“, stimmte Katrin ihr zu. „Also... allons, enfants! Zu
deutsch: Laßt uns gehen, Kinder!“
„Aber meine Füße tun so weh!
Ich kann keinen Schritt mehr machen“, behauptete Ruth.
„Zieh dir die Schuhe aus, dann
wird es schon gehen“, schlug Katrin vor.
„Was? Ich soll barfuß...?“
„Willst du lieber hier im Wald
übernachten?“
Das wirkte. Mit einem tiefen
Seufzer schnürte Ruth ihre schicken Sportschuhe auf, zog sie von den
schmerzenden Füßen und verstaute sie samt
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