Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Titel: Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
Vom Netzwerk:
einen?“
    „Gerne.“ Nicht zuviel sagen, den Redefluß nicht unterbrechen.
    Sie nahm die Flasche mit dem mit weichem Bleistift und Buntstiften spärlich stilisierten Weingut auf dem Etikett und füllte Simon Schweitzers Glas bis über den Eichstrich. „Außerdem kannst du sicher sein, daß Klaus-Dieter noch anderswo ein Eisen im Feuer hat.“
    „Wie meinst du das?“
    „Na ja, schau dir doch Karin mal an.“
    Ja, das leuchtete Herrn Schweitzer ein, mit Karin konnte er es sich nicht vorstellen. Nicht mehr. Früher hatte sie gut ausgesehen. Er selbst hatte sie damals auch sexuell in Betracht gezogen. Aber umsonst, auch damals war er kein Adonis gewesen.
    Simon Schweitzer hätte jetzt gerne weitere Fragen gestellt, aber das hielt er für zu auffällig, wäre über das übliche Geplauder hinausgegangen, und man hätte sich fragen können, was er mit seiner Fragerei denn bezwecke. Soweit ihm bekannt war, hatte sich sein gelegentliches Herumschnüffeln für seinen Schwager noch nicht herumgesprochen. Und wenn es nach ihm ginge, würde das auch so bleiben. Selbst Laura gegenüber hatte er diesen Aspekt seines Lebens nie erwähnt. Man mußte da sehr vorsichtig sein, in bezug auf Klatsch war Sachsenhausen ein Dorf. Außerdem war dieser Nebenverdienst ebenso wie seine Mieteinnahmen sozusagen steuerfrei, schon allein deswegen war Vorsicht geboten. Man konnte ja nie wissen. Deswegen stellte er die Fragen, die er gerne gestellt hätte, nicht, und da auch Bertha nichts mehr zu diesem Thema beitragen konnte oder wollte, trank er gemütlich sein Glas aus und ging, vergaß aber seine Leinenjacke.
    Eine weitere Möglichkeit, etwas über den verschwundenen Abgeordneten zu erfahren, war der Frühzecher, wo die Polizisten vom nahen Revier oft ihren Feierabend verbrachten. Mit zweien von ihnen stand Simon Schweitzer ganz gut, die waren aber just heute absent. Bei einem großen Glas Wasser schwatzte er ein wenig mit dem Wirt René, ein ehemaliger Rocker von den Hells Angels, hörte aber mit einem Ohr einem Gespräch zu, das einige Polizisten führten, die er aber nur vom Sehen her kannte. Leider ging es um für Simon Schweitzer wenig interessante Themen wie Ratenkredite für Bauvorhaben und frustrierende Überstunden, die sich einfach nicht abbauen ließen. Da sein Magen sich knurrend bemerkbar machte, bestellte er ein Schnitzel Wiener Art. Mit Pommes und Majo.
    Späterhin tätigte er noch einen Kurzbesuch in einer von ihm in letzter Zeit vernachlässigten Pilsstube. Simon Schweitzer hatte etwa drei Dutzend Restaurants und Kneipen im Repertoire, in die er in unregelmäßigen Abständen immer wieder einkehrte. Er besaß keinen Fernseher, um sich damit fremdes Leben ins Haus zu holen. Sein Mikrokosmos, in dem er aufgewachsen war, in dem er lebte und in dem er sich in aller Regel pudelwohl fühlte, war im Norden vom Main, im Süden vom Stadtwald, im Westen vom Kleingartenverein Louisa und im Osten von den Oberräder Gärten begrenzt. Hier, in einem der größten Stadtteile Frankfurts, war sein Revier. Immer horche, immer gucke, diese Lebensweisheit der alteingesessenen, urigen einheimischen Bevölkerung hatte er sattsam verinnerlicht. Immer horche, immer gucke, was ins Hochdeutsche übersetzt soviel hieß wie: immerfort Ohren und Augen offenhalten, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden oder ihnen zumindest dank des durch Hören und Schauen angeeigneten Wissens gefaßt und gut vorbereitet gegenüber treten zu können. Ja, er, Simon Schweitzer, kannte seine Welt. Und was er nicht wußte, war, je nachdem, in dieser oder jener Lokalität in Erfahrung zu bringen.
    Er fühlte sich großartig. Und es bestand die Aussicht, daß es in absehbarer Zeit in und um Sachsenhausen herum sehr spannend wurde. Falls das Magistratsmitglied Klaus-Dieter Schwarzbach nämlich morgen immer noch nicht aufgetaucht sein sollte, favorisierte Simon Schweitzer eine Entführung des Geldes wegen. Politische Motive waren da weitgehend auszuschließen, da die RAF und deren Nachfolgeorganisationen den Laden ja bekanntlich dicht gemacht hatten. Nachwuchsprobleme.
    Der Mond hing silbern und erhaben als dünne Sichel am Firmament, als Herr Schweitzer die Wohnungstür aufschloß. Laura war wie erwartet nicht zu Hause. Wahrscheinlich nestelt da gerade ein geschniegelter Galan an ihrem burgundrotem Etwas herum, dachte Simon Schweitzer, mir soll’s recht sein. Auf ihn übte Laura sowieso keinerlei erotische Anziehung aus. Er konnte nicht einmal sagen, warum. Es war eine

Weitere Kostenlose Bücher