Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
recht passable Wohngemeinschaft, die sie da führten, und das reichte ihm. An der Garderobe merkte er, daß er seine Jacke im Weinfaß vergessen hatte. Auch egal.
Nach einer ordentlichen Dröhnung Dipayal Charras lauschte er über Kopfhörer den sakralen Klängen eines Psalms für drei Männerstimmen Monteverdis. Auf dem Bett liegend begab er sich analog zur Musik in eine vermeintlich heile Welt des ausgehenden Mittelalters. Als ihm ganz schwer ums Herz war, legte er den Kopfhörer beiseite, schlief umgehend ein und träumte süßlich von einem Leben als umherfahrender Schamane.
Die Augen wollten einfach nicht offen bleiben. Draußen bog eine Straßenbahn um die Ecke und erzeugte ein enervierendes Quietschen im oberen Tonhöhenbereich. Mit einem Ruck setzte sich Herr Schweitzer auf und schaute aus dem Fenster. Die Hochhäuser auf der anderen Seite des Mains standen noch, was seit dem 11. September immer wieder eine angenehme Überraschung war. Der Himmel strahlte im hellblauen Kleid, dekoriert von ein paar vereinzelten Zirruswölkchen. Simon Schweitzer merkte, daß es heute schwererer Geschütze bedurfte, um in die Gänge zu kommen. Tranig ging er über den Flur nach nebenan und vergewisserte sich, daß Laura nicht nach Hause gekommen war. Alles andere hätte ihn auch überrascht. Dann schlurfte er in sein Zimmer zurück und legte Ton Steine Scherben auf, daß es nur so krachte. Dicke, solide Wände, das war das, was er an einer Altbauwohnung schätzte. Schon auf dem Weg ins Bad fühlte er, wie der Rhythmus Lethargie in Energie umwandelte.
Später saß er in der Küche, hörte Radio und starrte durch das Fenster auf die weiße Wand des angrenzenden Hochhauses, eine Bausünde aus den Siebzigern. Winzig kleine Milchglasfenster waren auf dieser Seite die einzige Lichtquelle pro Etage. Kein schöner Anblick, befand Herr Schweitzer und widmete sich wieder seinem Früchtemüsli. Die Tagesgestaltung wollte keine rechten Fortschritte machen, und er war darob ein wenig mürrisch.
Und hier noch eine Suchmeldung der Polizei, kam es aus dem Radio und erwischte Simon Schweitzer kalt. Seit Freitag abend wird der Frankfurter Stadtverordnete Klaus-Dieter Schwarzbach vermißt. In diesem Zusammenhang sucht die Polizei nach einem jägergrünen Geländewagen der Marke Mitsubishi Pajero mit dem polizeilichen Kennzeichen F für Frankfurt, KD …
Simon Schweitzer saß da wie Lots Salzsäulen-Tussi nach der Vernichtung Sodom und Gomorrhas. Er konnte es nicht fassen. Gestern hatte er die von ihm so leichthin favorisierte Entführung eher für einen witzigen Gedanken gehalten und nun … hatte er den Salat. Solche Sachen pflegten sich gemeinhin immer woanders abzuspielen. Und dort gehörten sie seiner Meinung nach auch hin, woanders halt. Die letzte größere Aufregung, die Sachsenhausen in den letzten Jahren heimgesucht hatte, war der Streich mit den Anwohnerplaketten. Erst hatte man die dafür notwendig gewordenen Verkehrsschilder montiert, dann, nach einem lustigen Gerichtsurteil wieder abmontiert und zwei Jahre später wieder angebracht. Aber das war ja nicht zu vergleichen, rief sich Herr Schweitzer zur Ordnung.
Das Telefon klingelte. Es war sein Schwager. Ja, natürlich habe er es gerade in den Nachrichten gehört, Karin habe auch angerufen. Die Polizei habe sie ganz und gar nicht einfühlsam nach Frauengeschichten von Klaus-Dieter ausgefragt. Wie die auf so einen Unsinn überhaupt kämen. Und ob wir, die Detektei Hagedorn, denn schon weiter gekommen seien in unserer Ermittlungsarbeit.
Daraufhin erzählte Simon Schweitzer, daß da gestern bei seiner Recherche sehr wohl von Frauengeschichten die Rede war. Ins Detail war der Informant nicht gegangen, aber er, Simon Schweitzer, würde am Ball bleiben, und, falls nötig, den Druck noch verstärken. Einen schönen Gruß an Angie noch, tschüß.
Da die Dinge sich nun mal entwickelt hatten, wie sie sich entwickelt hatten, wollte Herr Schweitzer unbedingt Methode in den Tag bringen. Er war überzeugt davon, durch kluges und geschicktes Fragen bei Karin Schwarzbach einiges an Informationen herauskitzeln zu können, von denen sie selbst nicht mal ahnte, daß sie von Bedeutung sein könnten. Simon Schweitzer hielt sich nicht für schlauer als die Polizei, doch vermutete er einen Vorteil darin, Klaus-Dieter dereinst recht gut gekannt zu haben.
Er entschloß sich zu einem Besuch bei Karin auf dem Lerchesberg. Wegen der Adresse rief er noch mal seinen Schwager an. Dem Tag des Herrn zollte
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