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Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Titel: Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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vorhanglose Fenster auf die Straße. Ein tolpatschiger junger Golden Retriever scheuchte Tauben auf, und zwei Alte gingen Arm in Arm über die Straße. Die Abendsonne verlieh den Farben eine Sattheit, die sie sonst nicht besaßen. Er verspürte Romantik bis in die letzte Kapillare. Ach, wäre das schön, mit jemandem Arm in Arm zu schlendern. Großer Seufzer.
    Das Moussaka war ein Gedicht. Eine Gabel mit fruchtigen Auberginen und reichlich Bechamelsoße hatte sich Herr Schweitzer bis zum Schluß aufgehoben und umschmeichelte nun damit seine Geschmacksnerven. Mit einem Schluck Satyrikon spülte er den letzten Bissen herunter. Es waren noch einige Gäste gekommen. Die waren allesamt mit Speisen versorgt, so daß Theophilos wieder Zeit hatte.
    „Weißt du, wer wieder regelmäßig herkommt?“
    „Wie könnte ich?“
    „Der Pfarrer.“
    „Guntram Hollerbusch?“
    „Genau. Und weißt du, warum?“ Simon Schweitzer schüttelte den Kopf, und Theophilos beantwortete seine eigene Frage: „Der gleiche Grund wie damals.“
    Herr Schweitzer verstand nicht. „Versteh ich nicht.“
    Theophilos verdrehte die Augen, als wäre er es leid, den Blöden dieser Welt immerfort alles erklären zu müssen. „Na, der Flughafen. Der geplante Ausbau. Die Flugschneise über Sachsenhausen. Hollerbusch leitet wieder die Bürgerinitiative. Die treffen sich hier jeden Dienstag. Fast alles ist wie damals.“
    Simon Schweitzer war sprachlos. Seine Gedanken wanderten in die Vergangenheit. Zu viert hatten sie dereinst den Sachsenhäuser Widerstand gegen die Startbahn West organisiert. Der Pfarrer, der damals noch Student der Theologie war, und Schwarzbach waren die treibenden Kräfte gewesen. Hollerbusch war ihr Organisator gewesen, der Mann fürs Praktische, und Schwarzbach der Rhetoriker, der begeistern konnte wie kein anderer. Wenn er sprach, hörte jeder zu, ob er wollte oder nicht. Und Beim Zeus hatten sie ihr HQ, wie sie es im Spaß nannten, ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Und der Ouzo ist geflossen wie später das Blut. Mein Gott, wie lang ist das her? Herr Schweitzer überschlug es im Kopf, mehr als zwei Jahrzehnte. Wie die Zeit vergeht. Dann war er wieder im Präsens.
    Geduldig hatte Theophilos auf das Ende des gedanklichen Exkurses gewartet. „Na, siehst du. Jetzt erinnerst du dich.“ Er rüttelte Simon Schweitzer am Arm.
    „Ja.“
    „Und der andere, wie hieß der noch gleich? Daniel, aber wie weiter? Der hatte noch so einen lustigen Namen. Ich habe immer gedacht, der wollte auch Pfarrer werden wie Hollerbusch. Am Anfang habe ich die zwei immer verwechselt.“
    „Ja, stimmt, der Meister. Mit dem zweiten Vornamen hatten wir ihn immer aufgezogen. Irgendwas kirchliches wie Gottfried oder so.“ Herr Schweitzer hatte das Gesicht vor Augen, aber der zweite Vorname des ehemaligen Weggefährten blieb verschollen. Schon eine Ewigkeit hatte er nicht mehr an ihn gedacht. Der Träumer, der Visionär. Ja, Meister hatte eine ausgeprägte Fantasie, konnte die Protestbewegung binnen Sekunden auf Heeresgröße heranwachsen lassen, das Volk vom kapitalistischen Joch befreien und das Proletariat unter der roten Fahne in eine glorreiche Zukunft führen.
    „Nein, Gottfried hieß er auch nicht. Nein“, sagte Theophilos versonnen. „Was ist eigentlich aus Daniel geworden?“
    „Weiß ich nicht. Ich hab ihn damals sehr schnell aus den Augen verloren. Gerüchte besagten, er wäre nach Italien. Verschwunden, so wie Schwarzbach jetzt.“
    „Bitte?“
    „Klaus-Dieter. Der ist auch weg, seit vorgestern. Sag bloß, du hast nichts davon gehört.“
    „Nein, wir haben heute nachmittag hier noch ein bißchen aufgeräumt. Das Radio war den ganzen Tag noch nicht an. Aber wieso denn verschwunden? Das geht doch nicht.“
    „Ich weiß es nicht. Sein Wagen ist auch weg.“
    Theophilos schüttelte den Kopf. „Das habe ich mir schon immer gedacht, das nimmt kein gutes Ende mit Klaus-Dieter.“
    „Du tust ja gerade so, als wäre er tot.“
    Jemand rief leise, aber vernehmlich Hallo. Der Wirt stand auf. „Ich bin gleich wieder da.“
    Nachdem Theophilos einige Dessertbestellungen aufgenommen und neue Getränke verteilt hatte, kam er wieder an Simon Schweitzers Tisch und knüpfte das Gespräch dort an, wo es unterbrochen worden war: „Dem ist was zugestoßen. Glaub mir, so einer wie der erreicht kein Rentenalter. Dafür hat er zuviel auf dem Kerbenholz, oder wie man hier sagt.“
    „Kerbholz.“
    „Na schön, Kerbholz eben. Ich hab so was im Gefühl, da ist

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