Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
der Vermutung veranlaßte, daß die Wirtin momentan und entgegen ihrer Gewohnheit über die Geschehnisse auf dem Berg ganz und gar nicht auf dem Laufenden war. Er hätte da doch noch ein paar Fragen gehabt. Dies mußte Maria bemerkt haben, denn sie signalisierte ihm, sich noch einen Augenblick zu gedulden, denn erst mal galt es, Karin zu beruhigen.
Als dies so halbwegs gelungen war, sprudelte es aus ihr heraus: „Es gibt drei Haushalte, bei denen Janina arbeitet. Schwarzbachs, bei denen sie auch wohnte, ich und noch eine französische Familie, die aber die meiste Zeit im Ausland ist. Klaus-Dieter fand allerdings, daß Karin sie nicht richtig rannehme, darüber haben sie sich oft gestritten, nicht wahr, Karin?“
Karin schluchzte wieder.
„Auf alle Fälle hat Klaus-Dieter ihr dann letztens die Koffer vor die Tür gestellt, er wolle sie nicht mehr sehen. Donnerstags und freitags putzt Janina aber weiterhin bei Schwarzbachs. Wenn ihr mich fragt, spinnt unser Abgeordneter in letzter Zeit ganz schön, Janina ist nämlich eine echte Perle, nach so was kannst du heute lange suchen. Stimmt’s, Karin?“
Jetzt konnte sich Karin überhaupt nicht mehr halten und alle Dämme brachen.
Für Herrn Schweitzer war nun zwar viel Licht ins Dunkel gebracht, aber die allgemeine Lage würde er weiterhin als durchaus heikel betrachten. Immerhin gab es da noch das Bundeskriminalamt, welches ein großes Interesse an dem Hausmädchen haben dürfte, also vergewisserte er sich: „Und Janina ist gerade bei dir oben zu Hause, wenn ich das richtig verstanden habe, Maria?“
„Ja“, auch sie hatte das Problem geortet, „ich würde also vorschlagen, wir rufen schnell die Polizei an und sagen denen, daß wir wissen, wo Janina ist und daß es sich um ein bedauerliches Mißverständnis handelt.“
„Das würde ich auf gar keinen Fall machen“, wandte Simon Schweitzer ein, der seine große Stunde gekommen sah. Alle schauten ihn gebannt an, selbst Karin hielt mit dem Geschluchze inne. „Wie wir sicherlich alle wissen, haben unsere Ordnungskräfte manchmal etwas merkwürdige Angewohnheiten, Festnahmen zu tätigen. In einem Fall wie diesem, wo es um das spurlose Verschwinden eines angesehenen Politikers geht, sehe ich sie mit einer Sondereinheit und mehreren gepanzerten Fahrzeugen den Lerchesberg erklimmen, nach antrainierter Guerillakriegmanier Türen und Fenster aus der Verankerung sprengen und eine dem Herzinfarkt nahe Janina in Handschellen und Schlafanzug und in Maschinengewehrbegleitung abführen. Das sollten wir tunlichst verhindern.“
„Aber wie?“ Das war Bertha.
Simon Schweitzer wäre nicht Simon Schweitzer, wenn er darauf keine Antwort parat hätte: „Laßt mich mal machen. Ich hab da ein paar nützliche Beziehungen.“ Eine geheimnisvolle Aura umgab ihn, und es würde ihn nicht im mindesten wundern, wenn Maria schwer von ihm beeindruckt war. Er ließ sich von Bertha das Telefonbuch geben und rief das Sachsenhäuser Polizeirevier an. Der gewünschte Gesprächsteilnehmer hatte schon Feierabend und würde wahrscheinlich im Frühzecher anzutreffen sein. Simon Schweitzer bedankte sich und legte auf.
„Und? Wie geht’s jetzt weiter?“ fragte Maria.
„Am besten, du holst jetzt Janina und kommst wieder her. Dann fahren wir in den Frühzecher, dort sitzt ein Freund von mir, der kann uns weiterhelfen.“
Maria blickte skeptisch drein, aber in Ermangelung eines besseren Vorschlages stimmte sie zu.
„Und was ist mit mir?“ wollte Karin larmoyant wissen.
„Du kommst mit. Schließlich haben wir die ganze Bredouille nur dir zu verdanken“, sagte Herr Schweitzer unwirsch und mit harter Stimme, bar jedweder Einfühlsamkeit. Bei allem Verständnis für Karin Schwarzbachs Kalamität, ging ihm das andauernde Geflenne doch sehr auf den Keks.
Maria ließ sich ein Taxi kommen. Nach zwanzig Minuten war sie mit Janina wieder zurück, und Simon Schweitzer, der seine Jacke erneut vergessen hatte, und Karin stiegen zu. Während der Fahrt redete Maria beschwichtigend auf Janina ein, die sich verkrampft an ihrer braunen Billighandtasche festhielt. Herr Schweitzer, der das polnische Hausmädchen zum ersten Mal sah, besänftigte sie durch seinen gütigen Blick. Karin saß vorne und starrte verloren durch das Seitenfenster, der Alkohol schien nicht mehr zu wirken, denn ihre Hände zitterten wieder.
Im Frühzecher waren noch etliche Plätze frei, hier würde das Gedränge erst mit den Schließzeiten anderer Lokale einsetzen. Die beiden
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