Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
Polizisten waren zu Simon Schweitzers großer Erleichterung noch da, saßen am Tresen und unterhielten sich mit dem Wirt René. Er dirigierte die Damen an einen Tisch. Die fünf-zigjährige Janina Blaszczyk schaute sich schüchtern um, als dräue von diesem Sündenpfuhl in Gaststättenformat große Gefahr. René kam an den Tisch, um die Bestellung entgegenzunehmen, und Janina sackte noch mehr in sich zusammen, was bei des Wirtes Erscheinungsbild nur allzu verständlich war. Lange, blonde, strähnige Haare. Hemd, Hose und Stiefel in des Todes Schwarz, ein tellergroßer Löwenkopf als Gürtelschnalle und ein ungepflegter Bartwuchs zuzüglich monströser Oberarmtätowierungen ließen ihn wie einen durch Europa brandschatzenden Wikinger des frühen Mittelalters aussehen, der selbst vor dicklichen Haushaltshilfen aus dem Land des gekrönten weißen Adlers nicht halt machte.
Herr Schweitzer entschuldigte sich bei den Damen und ging zum Tresen. Freundschaftlich klopfte er Frederik Funkal und Odilo Sanchez auf den Rücken. Na, was gibt’s, begrüßten sie Simon Schweitzer. Oh, eine ganze Menge, ließ er verlauten und erzählte ohne Einleitung die komplette Tragödie, in die man unschuldig hineingeschlittert war. Sporadisch drehten die beiden Polizisten ihre Köpfe zu dem Damentisch, um sich anhand von Karin und Janina davon zu überzeugen, daß Simon Schweitzer ihnen mit dieser abenteuerlich anmutenden Geschichte keinen Bären aufband. Aber Herr Schweitzer hatte in Sachsenhausens Kneipenkosmos nicht das Image eines Dummschwätzers, worauf er auch sehr bedacht und stolz war, und was ihm gerade sehr zupaß kam.
„Das sieht nicht gut aus“, konstatierte Frederik Funkal, der Simon Schweitzer etwas näher stand und auch der Wortführer der beiden war.
„Ganz und gar nicht gut“, pflichtete Odilo Sanchez bei.
„Und weil es so beschissen aussieht, bin ich hier. Ich dachte, ihr hättet vielleicht eine Idee, wie man da jetzt vorgehen könnte, schließlich seid ihr ja vom Fach.“ Andere Leute bei ihrer Ehre packen ist eine äußerst durchtriebene Vorgehensweise, auf die Herr Schweitzer sich sehr gut verstand.
„Tja, wenn wir mit dem Fall wenigstens ein bißchen was zu tun hätten, aber das BKA fährt mal wieder einen Alleingang. Die halten uns wie immer für zu blöd, unseren werten Abgeordneten wiederzufinden“, erklärte Polizeimeister Funkal. Herr Schweitzer hielt die Formulierung für etwas verunglückt, schließlich war man ja bei der Polizei nicht den ganzen Tag damit beschäftigt, vermißte oder entlaufene Abgeordnete wiederzufinden oder einzufangen. An einem anderen Abend und in einem anderen Zusammenhang hätte er an dieser Stelle sicher etwas Lustiges zu sagen gehabt, aber heute schwieg er, zumal seine beiden Kneipenfreunde sichtbar angestrengt nachdachten. Da war es sicherlich auch nicht richtig darauf hinzuweisen, daß auch ohne BKA ordinäre Polizeimeister selten mit Ermittlungen dieser Größenordnung beauftragt werden. Er ließ ihnen ihren Stolz.
In der allgemeinen Denkpause warf er einen Blick auf Maria, die sich eingehend mit ihrer Bediensteten beschäftigte und die Simon Schweitzer auf gar keinen Fall enttäuschen wollte. René brachte gerade als vertrauensbildende Maßnahme unvergiftete Getränke zu der Damenrunde.
Es war Frederik Funkal, der nach etwa fünf Minuten sagte: „Ich kenn da jemanden vom BKA, der uns vielleicht weiterhelfen könnte.“
Pause. Das wird nichts werden, dachte Herr Schweitzer unglücklich.
„Na ja, ich kann ihn ja mal anrufen.“ Frederik holte sein Handy hervor, und noch während er nach draußen ging, tippte er die Zahlenkombination ein.
Simon Schweitzer sah seine Felle bei Maria in einer Geschwindigkeit davonschwimmen, die sonst nur bei Hochwasser erreicht wurde. Er überlegte, daß, wenn die ganze akribisch geplante Inszenierung nun ein Schuß in den Ofen war, dann müßte Maria ihn ja, und das vollkommen zu Recht, für einen aufgeblasenen Aufschneider halten. Er hatte folglich bange Minuten zu überstehen, bis der Polizeimeister wieder hereinkam und erklärte, daß sein Kumpel in einer halben Stunde hier wäre und daß sie unwahrscheinliches Glück hätten, denn genau jener Kumpel Funkals war, außer Funkals Kumpel, noch Mitglied ebenjener Sonderkommission, die sich mit dem Schwarzbachfall beschäftigte. Uff, machte Herr Schweitzer.
Er schlug vor, sich behufs Wartens zu den Damen zu begeben. Der Vorschlag wurde von der Polizei angenommen, und er selbst konnte bei
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