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Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Titel: Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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und kurz darauf saß die Gruppe an drei zusammengerückten Tischen, und Roxane nahm schon die Getränkwünsche entgegen. Aus kleinen Lautsprechern ertönte ein auf orientalischen Elementen basierender Rembetika und verbreitete beruhigende Urlaubsatmosphäre.
    „Hallo Guntram, wie geht’s?“ holte Theophilos die Begrüßung nach.
    „Danke gut. Was gibt’s denn heute besonderes zu essen? Ich hab einen Bärenhunger.“
    „Das Stiffado war sehr lecker“, intervenierte Herr Schweitzer.
    „Stimmt“, bestätigte Theophilos. „Und es sind nur noch wenige Portionen da.“
    „Gut, dann bring mir eine davon.“
    Zufrieden ging Theophilos mit der Bestellung davon. Der Pfarrer wandte sich wieder an Simon Schweitzer: „Sag mal, ich hab auch gehört, du bist kein Straßenbahnfahrer mehr.“
    Simon Schweitzer war froh, daß sich die Wärme von einst langsam wieder zwischen ihnen einstellte und erzählte, warum er so gut wie gar nicht mehr zu arbeiten brauchte, daß er, ausgenommen der Banken natürlich, einer der wenigen Gewinner des letzten Aktienbooms war, und daß es ihm nicht zuletzt deshalb soweit ganz gut gehe. Und Guntram Hollerbusch berichtete, wie es ihm die letzten Jahre so ergangen war, daß seine kleine Gemeinde des Barmherzigen Heilands von Nazareth und Umgebung sich mit einer der großen Konfessionskirchen, denen die Mitglieder davonliefen, das Gotteshaus teilte. Church-sharing, meinte er augenzwinkernd zu Simon Schweitzer. Und daß er wieder mittendrin sei in der Basisarbeit gegen den Flughafenausbau, für ein Nachtflugverbot und gegen die neue Einflugschneise sowieso. Und ob er, Simon Schweitzer, denn nicht wieder Lust bekäme mitzuarbeiten. Nur so ein bißchen, vielleicht. Er wisse ja, daß er sich aus der Politik gänzlich heraushalte seit damals, aber sie brauchten jede Frau und jeden Mann, solche Massen wie damals ließen sich freilich nicht mehr so einfach mobilisieren. Dann erzählte man sich noch ein paar olle Kamellen aus der Startbahn-West-Zeit wie zum Beispiel, als die kleine Glocke der mit Brettern windschief zusammengezimmerten Kirche des Hüttendorfes krachend zu Boden fiel, weil sie irgendwer mit einem zu dünnen Seil befestigt hatte, oder wie er, Guntram Hollerbusch, bei einem Scharmützel mit den Ordnungskräften, obwohl Handlanger des Systems hier treffender wäre, fügte der Pfarrer hinzu, seinen Schlüsselbund verloren hatte und deswegen über des Nachbars Balkon in seine eigene Wohnung hatte einbrechen müssen. Dann brachte Theophilos das Stiffado.
    „Guten Appetit.“
    „Danke.“
    Derweil der Pfarrer aß, kamen nach und nach die Bürger der Initiative, insgesamt sechs an der Zahl. Ein Pärchen mit Anti-Buttons dekoriert wie russische Generäle der Oktoberrevolution, zwei streitbare Rentnerinnen und ein soignierter Herr vom Lerchesberg, die besonders vom Fluglärm betroffen und bis zur letzten Wahl erzkonservative Stammwähler waren, und ein Mädchen mit modischem Kurzhaarschnitt, der man die Volljährigkeit nicht ansah, bildeten die illustre Runde. Guntram Hollerbusch hatte Simon Schweitzer mit einem Retsina geködert, doch noch ein Weilchen zu bleiben. Emotionslos hörte er der Diskussion zu. Er würde sich da nicht hineinziehen lassen.
    Nach einer halben Stunde ließ sich Herr Schweitzer die Rechnung kommen, durfte aber erst gehen, nachdem er sich in einer Unterschriftenliste eingetragen hatte. Man würde wieder von sich hören, hatten sie einander versprochen, und es sollte nicht wieder so viel Zeit verstreichen wie seit dem letzten Mal. Simon Schweitzer war heilfroh, von Theophilos’ Ouzo-Orgie verschont geblieben zu sein.
    Draußen vor der Tür regnete es immer noch, und er mußte noch einmal hineingehen und sich von Roxane seinen Schirm geben lassen.
    Vor dem Weinfaß prügelten sich zwei halbstarke Zeitgenossen im Regen um einen Parkplatz, was ob der unterschiedlichen Kampfstile nicht sehr telegen wirkte. Der größere der beiden übte sich im traditionellen Boxstil mit Linksrechtskombinationen gewürzt mit Rechtsauslegern, die aber allesamt ins Leere trafen, während der kleinere, ein drahtiges Kerlchen mit fast schon männlichem Bartwuchs, die zeitlichen Räume zwischen den nutzlosen Kombinationen des anderen dazu nutzte, seinem Gegner eine Ohrfeige nach der anderen zu verpassen, wovon die himbeerroten Wangen des Kontrahenten überreich Zeugnis ablegten. Es hatte sich schon einiges an Publikum eingefunden, das aber nicht wirklich an einem Ende des Dargebotenen

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