Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
Zauberer eingeschult. Es ist damit zu rechnen, dass in Zukunft in der Schule allerlei Hokuspokus getrieben werden wird: Wahrscheinlich werden Hefte verschwinden, Besen durch die Luft fliegen, Lehrer eine lange Nase angehext bekommen und so.« Vielleicht würden er selbst und Rektor Häusler sich an der Zauberei beteiligen, aber das sei noch nicht entschieden. Karl konnte über die Wirkung, die seine Worte bei Frau Reinicke und Trudel hervorriefen, zufrieden sein.
»Ein echter Zauberer«, rief die Putzfrau ein ums andere Mal, »kann einer da seines Lebens noch sicher sein?« Woher sie ihre Lebensangst hatte, blieb ihr Geheimnis. Trudel aber bekam einen Kicherkrampf, wie es immer geschah, wenn sie aufgeregt war. »Hokuspokus«, kicherte sie und äugte dabei gespannt in ihre Kaffeetasse, als müsse sich darin auf ihr Wort hin mindestens ein Goldfisch zu tummeln beginnen. Und »Hokuspokus« kicherte sie immer noch, als die Pause um und sie längst wieder dabei war, die langen Flure zu fegen. Und weil sie meinte, unbeobachtet zu sein, schwang sie ein Bein über den Besenstiel, fast gewiss, dass er mit ihr in die Lüfte abheben würde - was er natürlich nicht tat.
Just in dem Augenblick kamen drei junge Lehrerinnen aus dem Konferenzzimmer und überraschten die Putzhilfe bei ihrem merkwürdigen Treiben. »Wollen Sie fliegen, Trudel?«, rief Fräulein Lämmer, und die anderen beiden lachten dazu. Was blieb dem armen Mädchen anderes übrig, als die drei in das Geheimnis einzuweihen?
»Morgen wird ein echter Zauberer in die la eingeschult, dann geht es hier noch ganz anders zu«, flüsterte sie, während sie von ihrem Besen stieg. Und vor Aufregung vergaß sie ganz, die Lehrerinnen darauf hinzuweisen, dass sie nichts weitersagen dürften.
So machte das Geheimnis die Runde, bis man in der Schule die Einschulung von Simsala Bim mit Spannung erwartete.
Auf Feste Hokuspokus tanzte zur selben Zeit ein kleiner Junge ausgelassen um einen großen Tisch herum, der mit einem blauen Samttuch bedeckt war. »Ich darf in die Schule! Ich darf in die Schule!«, jubelte er. Dabei warf er zahllose kleine farbige Gummibälle an die hohe Zimmerdecke, die er sich von irgendwoher aus der Luft griff, dass es um ihn her nur so hopste und kullerte. Vater Abra Kadabra Bim saß in seinem hohen Lehnstuhl und freute sich an der Freude des Jungen, bis ihn einer der Gummibälle unvermutet hart an der Nase traf. »Aufhören«, rief der Zauberer da, plötzlich missgelaunt, »augenblicklich aufhören und aufräumen!« Sofort hielt Simsala - so hieß der Junge - in seinem Tanz inne, winkte einmal mit der Linken durch die Luft, als wollte er ein großes Spinngewebe entfernen; da waren die Gummibälle spurlos verschwunden. »Fertig, Papa«, meldete er gehorsam. Abra Kadabra Bim nickte zufrieden. »Dann geh das Mittagessen zaubern«, sagte er, »aber nicht wieder Pommes Frites. Du weißt, dass du die nicht gut verträgst.« Simsala setzte sich an den großen Tisch mit der blauen Samttischdecke, tippte mit einem Zauberstab vor sich und gegenüber auf die Tischplatte; da standen dort auf einmal zwei Teller. Auf die gleiche Weise erschienen Messer und Gabeln, Glasschüsselchen für Pudding, ein silberner Salzstreuer und - gerade lange genug, dass der Junge sich einen Würfelzucker herausstibitzen konnte - eine altmodische Zuckerdose; sie war aber, wie gesagt, schon wieder verschwunden, noch ehe der gestrenge Herr Bim sie erspähen konnte.
»Aufgedeckt«, meldete Simsala nun, und der alte Zauberer erhob sich aus dem Lehnstuhl und setzte sich zu seinem Sohn an den Tisch. Neugierig blickte jeder auf des anderen leeren Teller.
»Gibt es heute wieder, was jeder will?«, fragte der Vater und schaute dabei etwas griesgrämig drein. Simsala nickte. Sie hatten so ein Spiel. Simsala gewann, wenn es ihm gelang, sich dasselbe auf seinen Teller zu wünschen, was sein Vater sich herbeizauberte. Der alte Zauberer hatte es erfunden, damit sein Sohn ab und zu auch Gemüse aß, und gewöhnlich erschienen bei solcher Gelegenheit auf seinem Teller Blumenkohl und Möhrchen mit Kartoffelbrei. (Der Zauberer selbst mochte eigentlich keinen Blumenkohl, und gekochte Möhrchen waren ihm ein Graus. Aber er meinte, Gemüse sei gut für das Kind, womit er schließlich nicht Unrecht hatte.) Heute konnte Abra Kadabra Bim sich zu solch gesunder Kost nicht entschließen. Statt dessen wünschte sich der alte Zauberer zur Feier des Tages Karpfen in zerlassener Butter mit Salzkartoffeln und
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