Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
nickte. Auch diese Antwort schien er erwartet zu haben.
Dann stellte er sich kerzengerade vor dem Zauberer auf, versuchte, möglichst amtlich dreinzublicken, und sagte mit fester Stimme: »Herr Bim, die Zeiten ändern sich aber, und heute muss das Kind in die Schule gehen. Verstehen Sie bitte: Es muss, von Gesetzes wegen. Wenn Sie den Jungen nicht bei Ihrer nächstgelegenen Schule anmelden, machen Sie sich strafbar, und ich müsste Sie - hm - festnehmen. Ja.« Der Zauberer runzelte die Stirn. Was gab es doch für seltsame Sachen. Tatsächlich, von einer Schulpflicht für Kinder hatte er noch nie etwas gehört. »Und wenn ich mich«, knurrte er endlich, »wenn ich mich einer Festnahme entzöge? Sie wissen ja: Ich verstehe mich da auf verschiedene Tricks.«
»Das werden Sie als Ehrenmann nicht tun«, antwortete Wachtmeister Hurtig bestimmt.
»Nein, das werde ich als Ehrenmann nicht tun«, nickte der Zauberer unglücklich.
»Also, wir verstehen uns«, stellte Wachtmeister Hurtig erleichtert fest.
Er schlug die Hacken zusammen und legte grüßend die Hand an seinen Polizeihelm, und der alte Zauberer, ohne sich zu besinnen, tat es ihm gleich. Das hatte zur Folge, dass plötzlich auch auf seinem Kopf ein Polizeihelm erschien. Der war aber so schnell wieder verschwunden, dass Wachtmeister Hurtig keine Gelegenheit blieb, ihm auch noch mit einer Anzeige wegen unerlaubten Uniformtragens zu drohen.
Simsala kam eben fröhlich vom Karussel dahergesprun-gen und bettelte noch im Laufen: »Papa, bitte, darf ich noch einmal? Nur noch ein einziges Mal!«
Dem Zauberer aber war plötzlich die Lust auf Gesellschaft vergangen. Deshalb knurrte er nur gereizt »Nein!«, nahm seinen Sohn an der Hand und beeilte sich, zur Feste Hokuspokus zurückzukommen.
Daheim saß er dann lange mit einem Zirkel über eine Landkarte gebeugt. Himmel, wo in aller Welt sollte er wohl die nächstgelegene Schule finden? Endlich entschied sich der Zauberer für Heitersdorf, weil der Ort einen so freundlichen Namen hatte. Eine nächstgelegene Schule zur Feste Hokuspokus gab es sowieso nicht.
»Bin ich nun ein Esel, oder bin ich es nicht?«, überlegte der Zauberer.
Hätte er Simsala nicht zur Kirmes mitgenommen, wäre niemand darauf gekommen, dass sein Sohn unverzüglich eingeschult werden müsste. Aber das arme Kind, das nun, weil das Gesetz es so verlangte, zur Schule gehen musste, war gar nicht traurig darüber. Im Gegenteil: Simsala freute sich ganz unbändig auf die Schule. »Wenn Simsala sich auf die Schule freut, kann's so dumm doch nicht gewesen sein«, entschied der Zauberer endlich. Weil er dann aber kein Esel war, tat er sich zur Belohnung aus der schnell herbeigezauberten Silberdose noch ein paar Zuckerwürfel in den Kaffee und schlürfte die süße Brühe zufrieden hinunter.
»Vielleicht sollte ich dem Hurtig ein kleines Geschenk machen«, überlegte er weiter. »Im Grunde hat er uns da auf eine recht unterhaltsame Idee gebracht.«
Die erste Stunde
Rektor Häusler erwartete Herrn Bim und seinen Sohn Simsala an der Schulpforte. Er wollte selbst das Kind in seine Klasse bringen.
Der alte Zauberer hatte versucht, seinen Sohn möglichst unauffällig zu kleiden, und hatte dazu extra ein Bilderbuch aus der Bibliothek geholt, um nachzuschauen, wie normale Kinder angezogen würden. (Die Feste Hokuspokus lag, wie ihr schon wisst, weitab von jeglicher menschlichen Behausung, und wenn der alte Zauberer einmal einen Besuch in der Stadt machte - was selten genug geschah dann achtete er nicht just darauf, was man kleinen Kindern heutzutage anzieht.) Dass das Buch, in welchem er sich kundig machen wollte, die Mode früherer Jahrhunderte zeigte, hatte der Zauberer in der Eile übersehen. So trug der Junge heute keinen spitzen Zaubererhut und auch nicht den weiten Umhang mit den gestickten Zauberzeichen darauf. Statt dessen hatte Abra Kadabra Bim ihm eine wunderschöne reinweiße Bluse mit Rüschen an der Knopfleiste gezaubert, eine samtene Kniebundhose aus dunkelblauem Stoff, rote Seidenstrümpfe und schwarze Lackschuhe mit goldenen Schnallen. Simsala war ordentlich stolz auf die Sachen.
Rektor Häusler musterte das Kind mit Staunen, verlor aber kein Wort darüber, sondern führte die Bims ins obere Stockwerk, wo das helle Klassenzimmer der la lag. Die Blicke, die ihnen heimlich folgen, bemerkten sie gar nicht. »Dein Lehrer heißt Herr Martin«, sagte Rektor Häusler zu dem kleinen Zauberer. »Er freut sich schon, dass du in seine Klasse
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