Sind Sie hochsensibel?

missbräuchlich einsetzen und es nicht schaffen, vergangene und zukünftige Entwicklungen zu berücksichtigen. Das soll keine Beleidigung dieser Menschen sein, es entspricht lediglich ihrer Natur. (Dies war übrigens die Rolle von Merlin in der Sage um König Artus. Ähnliche Figuren lassen sich auch in den meisten anderen indogermanischen Erzählungen finden.)
    Gerade weil sie zur Klasse der Ratgeber gehören und aufgrund ihrer Wesensart bemühen sich viele HSM darum, sich fortzubilden und größtmögliche Erfahrung zu sammeln. (Ich füge extra die Erfahrung hinzu, weil manche HSM Fortbildungen betreiben, ohne dabei den Wert ihrer Erfahrung zu schätzen wissen.) Je größer aber die Vielfalt unserer Erfahrungen ist im Rahmen dessen, was uns sinnvoll erscheint (Bunjee Jumping gehört nicht dazu!), umso weiser werden unsere Ratschläge ausfallen.
    Die Ausbildung von HSM ist vor allem wichtig, um unsere eher stille und subtile Vorgehensweise zu stärken. Ich bin der Ansicht, dass wir weiterhin in unseren traditionellen Berufen – in Lehr- und geistlichen Berufen, in der Medizin, im Rechtswesen, in der Kunst, den Naturwissenschaften und in beratenden Funktionen vertreten sein sollten, denn heute sind diese Fachrichtungen schon in zunehmenden Maße die Domäne von Nicht-HSM. Das bedeutet, dass den Bedürfnissen der Gesellschaft auf eine
kriegerische
Art begegnet wird, bei der es nur noch um Expansion und Profit geht.
    Unser
priesterlicher
Einfluss ist teilweise deshalb so verschwindend gering geworden, weil wir an Selbstachtung verloren haben. Gleichzeitig büßen die eben genannten Berufe ohne unseren behutsamen und würdevolleren Beitrag zunehmend an Achtung ein.
    Nichts von dem Gesagten lässt jedoch auf ein abgekartetes Spiel der weniger Sensiblen schließen. Da die Welt immer komplizierter und nervenaufreibender wird, ist es ganz natürlich, dass die Nicht-HSM zumindest als erste nach vorne streben. Ohne uns wird ihre Blütezeit aber nicht lange andauern.
    Berufung, Individuation und HSM
    Wie steht es denn um Ihre persönliche Berufung? Wenn ich dem Denkprozess von C. G. Jung folge, begreife ich das Leben eines jeden als einen Prozess der Individuation – demnach besteht der Grund unseres Daseins auf Erden allein in der Entdeckung und Beantwortung unserer ganz individuellen Lebensfragen. Es mag sich dabei vielleicht um eine Aufgabe handeln, die einer unserer Vorfahren nicht vollenden konnte, und dennoch muss man sie auf eine ganz eigene, individuelle Weise lösen. Diese Aufgabe ist allerdings nicht einfach, sonst würde es nicht ein Leben lang dauern sie zu erfüllen.
    Auf diesen Prozess der Individuation bezog sich der Mythologielehrer Joseph Campbell, als er seine Schüler, die verzweifelt nach ihrer Berufung suchten, dazu anhielt „ihrer Neigung zu folgen“. 91 Er machte immer deutlich, dass er damit nicht meinte, einfach zu tun, was im Moment leicht sei und Spaß mache, sondern sich für eine Arbeit zu engagieren, die ihnen richtig erschien, von der sie sich angezogen fühlten. Solch eine Arbeit auszuüben (und wenn wir sehr viel Glück haben, auch noch dafür bezahlt zu werden) ist eine der größten Wohltaten, die wir im Leben erfahren können.
    Der Individuationsprozess erfordert enorme Sensibilität und Intuition, um schließlich festzustellen, ob man auch die richtige Aufgabe auf die korrekte Art erfüllt. Als HSM sind Sie dafür besonders gut geeignet. Das bedeutet, dass die Bestimmung eines HSM vor allem darin liegt, seine ganz persönliche Berufung zu finden und dieser nachzugehen.
    Arbeit und Berufung
    Es ergibt sich allerdings die Frage, wer denn HSM dafür bezahlen wird, dass sie ihrer Neigung nachgehen. Normalerweise stimme ich mit dem überein, was C. G. Jung betonte: Es ist ein schwerer Fehler unseren natürlichen Typus finanziell zu unterstützen. Wenn ein HSM nicht auch zur praktischen Arbeit gezwungen wird, verliert er leicht jeglichen Kontakt zum Rest der Welt. Er bleibt ungeerdet und niemand mag ihm zuhören. Wie aber kann man dann Geld verdienen und immer noch seiner Berufung folgen?
    Eine Alternative besteht darin, den Kompromiss beider Notwendigkeiten zu finden. Einerseits müssen wir versuchen unseren Herzensangelegenheiten nachzukommen und andererseits möchten wir der Welt einen wertvollen Dienst erweisen – das heißt etwas leisten, wofür sie