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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Haipl
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Ballermann-Hit zu schreiben. Warum denn nicht? Werbung habe ich auch schon gemacht, und außerdem habe ich ein paar Semester Psychologie studiert. Da ist das nur konsequent.
    Ballermann-Produzenten sind übrigens um nichts unsympathischer oder dümmer als sogenannte Intellektuelle. Im Gegenteil, sie machen genau das Gleiche: Sie bedienen eine Zielgruppe, mit dem Unterschied, dass sie das ohne Überheblichkeit tun. Und Überheblichkeit ist eine jener menschlichen Regungen, die mir am wenigsten abgehen würde, sollte ich von einem Wolfsrudel oder von Gorillas im Nebel als Mitglied aufgenommen werden.
    Kamillus von Lellis , Gründer des Ordens der Kamillianer, ist im sechzehnten Jahrhundert aus dem St. Jakobs-Spital in Rom geflogen, weil er aus Überheblichkeit lieber Karten gespielt hat, als sich um die Kranken zu kümmern. Aha. St. Jakob und Überheblichkeit vertragen sich nicht, das mag ich. ( Kamillus hat seine schlechten Manieren dann sehr bereut. Der liebe Gott hat ihn mit Krankheit gestraft.)
    Am Tag darauf bin ich in eine oberösterreichische Provinzstadt gefahren. Eigentlich hätte ich dort mit einem der vier Musikprojekte, an dem ich als Produzent beteiligt bin, auftreten sollen. Weil es sich aber so schön ergeben hat und der Veranstalter ein ausgesprochen angenehmer Mensch ist, haben wir kurzerhand beschlossen, vorher aus der Großraumdisco einen auf Literaturabend zu machen. Kurz, ich habe eine Lesung gegeben. Unterstützt von zwei Profimusikern, teilweise tätowiert, die so etwas noch nie gemacht haben.
    Als ich aus dem Zug gestiegen war, war ich überrascht, dass der Bahnhof doch ziemlich groß ist für eine Stadt, von der ich nicht gewusst habe, dass sie gar nicht mal so klein ist, wie ich gedacht habe, weil ich ein kleines arrogantes Wiener Hauptstadtkind bin.
    Also gut. Ich schreite schnurstracks auf den ersten Einheimischen zu, der gegenüber vom Bahnhof auf einer Bank sitzt, getrennt von einer Straße, die ziemlich breit ist für eine Stadt, die so klein ist, was sie nicht ist, aber das weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Typisch Landjugend, wissen nichts mit ihrer Zeit anzufangen, denke ich und frage den jungen Mann, wo denn das von mir gesuchte Lokal sei. Die Replik erfolgt in astreinem Berlinerisch. Er sei nicht von hier, warte auf einen Freund, der ihn abholen soll, und er habe keine Ahnung, aber er sei sich zumindest relativ sicher, dass das hier Wels ist. Aha. Na immerhin. Vom Bahnhof und der Straße her hätte es gut und gerne Linz sein können. Wenn nicht sogar Wien. Wobei, das kenne ich. Das hätte ich gemerkt, wenn ich in Wien angekommen wäre. Nach zwei Stunden Zugfahrt von Wien aus wäre mir das schon seltsam vorgekommen.
    Selbst ist der Mann (selbst wenn er ein Nerd ist), und schwups habe ich mein iPhone aktiviert. Endlich! Nach einem Jahr iPhone kann ich endlich die vermaledeite google - maps -Funktion sinnvoll nutzen. Es ist ja so: Daheim brauche ich keinen Stadtplan, da finde ich gottlob meistens von selbst nach Hause. Im Ausland bräuchte ich so eine mobile, digitale Straßenkarte oft, und ich würde sie gerne nutzen, weil ich sie schließlich mit dem Erwerb meines iPhones bezahlt habe. Aber die Roaming-Gebühren innerhalb der EU (und außerhalb sowieso) sind eine derartige Frechheit, dass ich mich nicht traue, Internet und Datendienste in Anspruch zu nehmen, weil ich fürchten muss, in der Sekunde zu verarmen. Kann mir irgendwer sagen, wofür wir eine EU haben, wenn Deutsche, Franzosen und Italiener ihre Telefone auf einem Gebiet nutzen dürfen, das sie in einer Woche nicht durchreisen können, während ich dieses iPhone nur auf der Fläche eines Schrebergartens verwenden kann? Das ist nämlich Österreich: ein Scheißschrebergarten mitten in der EU. So, jetzt habe ich es gesagt.
    Puh, man kann sich schon ordentlich ärgern, wenn man will. Ich will zwar nicht, aber ich scheine Talent dafür zu haben.
    Ist ja egal. Mein schönes, braves iPhone hat mich schlussendlich zum Veranstaltungsort gebracht (der ganze zweihundert Meter entfernt war), und ich hatte eine sehr schöne Lesung. Die tätowierten Profimusiker, die mit mir gelesen haben, hatten sicher auch eine gute Zeit, und den Menschen im Publikum hat es gefallen. Nachher haben wir die Laptops aufgebaut und elektronische Musik gemacht. Muss ja auch wer machen. Und dann, ja, dann habe ich von der Möglichkeit freier Getränke Gebrauch gemacht, reichlich. Und geraucht. Obwohl ich gar nicht rauche. Habe irgendwo in Oberösterreich

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