Sind wir bald da
Jakob ist. Wie schön. Vielleicht ist die Garageneinfahrt zur Neverland Ranch dann auch eine Art Jakobsweg. Für hartgesottene Fans sicher. Die fühlen sich Gott bestimmt näher, wenn sie zwei, drei Mal die Garageneinfahrt von Michael Jackson auf und ab gehen. Jetzt, wo er tot ist, sowieso. Und da kann er noch von Glück reden, dass er nicht schon vor tausend Jahren verblichen ist. Sonst hätte man Teile seines Skeletts entwendet, Monstranzen um Haarlocken geschmiedet und rund um irgendwelche Devotionalien Orte der Pilgerschaft geschaffen. Den »Sohn des Jakobswegs« zum Beispiel. Der wiederum hätte sich zum »Jakobsweg senior« in etwa so verhalten wie »Die drei jungen Tenöre« zu den »drei Tenören« (ganz ohne »alt«, »original« oder so — also Pavarotti, Domingo und Carreras). Also, eh okay, würde aber trotzdem irgendwie wie ein Versuch rüberkommen, Geld zu machen. Und das hätte Michael Jackson sicherlich nie gewollt. Äh, vielleicht hätte er doch schon vor tausend Jahren sterben sollen.
Im Nachhinein weiß man immer alles besser. Glaubt man zumindest. In Wahrheit weiß man natürlich überhaupt nichts besser. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob es damals, vor über dreißig Jahren, nicht besser gewesen wäre, statt in die eine Schule in die andere zu gehen. Oder ob es besser gewesen wäre, statt in der einen Parkbande in der anderen mitzumachen oder statt Fußball lieber Bridge zu spielen. Keinen blassen Schimmer. Das sollte man vielleicht alles bedenken, wenn man so leichtfertig sagt: »Im Nachhinein weiß man alles besser .«
Nach all den Wochen, nein, nach all den Monaten und Jahren, in denen ich versucht habe, mein Leben besser zu bewältigen, kann ich nicht behaupten, dass ich es irgendwann definitiv besser gekonnt hätte. Anders vielleicht. Mal entspannter, mal geduldiger, dann aber wieder nicht. Aber ganz objektiv besser? Nein. Sicher nicht. Da hat mir auch die hochspirituelle Beschäftigung mit dem hl. Jakob nichts genutzt. Ich habe Bücher über den Jakobsweg gelesen, habe en masse Lebenshilfeliteratur konsumiert, Therapeuten verschlissen, nachgedacht, verworfen... Und da stehe ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor. (Das ist von mir, falls Sie das zitieren wollen.)
Donnerstag, i6. Juli
Der erste Tag auf meinem Jakobsweg. Zum Einstand gibt der Laptop, den ich mitzunehmen gedachte, um meine grandiosen Erlebnisse minutiös aufzuzeichnen, seinen Geist auf. Gott sei Dank mache ich regelmäßig Backups. Dummerweise nicht immer, zum Beispiel in den letzten Tagen, als ich an diesem Buch gearbeitet habe. Das erklärt so manche Lücke in der Erzählung. Im Computer-geschäft sagt man mir, dass die Festplatte eh schon zwei Jahre alt war und ein Verschleißteil sei. So in der Art einer Batterie. Aha. Und wenn meine Autobatterie den Geist aufgibt, dann kracht das Auto also mit hundertachtzig Sachen gegen eine Betonwand? So ähnlich ist das nämlich, wenn man einen herben Datenverlust erleidet und eigentlich schon längst auf der Autobahn Richtung St. Jakob im Walde in der Steiermark sein sollte, anstatt sich erklären lassen zu müssen, warum es völlig normal ist, dass Computer über Nacht den Geist aufgeben. (Auf der Couch ruhend, unbehelligt — was für ein schöner Tod! Er ist im Schlaf von uns gegangen. Wäre mein Laptop ein Mensch gewesen, könnte ich etwas wie Dankbarkeit für das Schicksal empfinden. Aber so, Scheiße!)
Ich erkenne den tieferen Sinn darin, dass es in einem Zweipersonenhaushalt einen Computer und mindestens zwei Laptops gibt, und nehme den Laptop meiner Freundin mit. Ich muss zugeben, es fällt mir seit einigen Jahren immer schwerer zu argumentieren, warum Apple-Computer so viel besser sein sollen als normale Windows-Rechner. Das ist nämlich schon die dritte Festplatte in vier Jahren, die sich verabschiedet. Ja, ich weiß, die Festplatten kommen nicht von Apple. Aber sie bauen sie ein, diese Vollidioten!!! Himmelherrgott. Es ist mir völlig gleichgültig, ob die Festplatten von Ankerbrot, Coca-Cola oder den Ebenseer Betonwerken hergestellt werden! Apple baut sie ein, dieses Verbrecherpack! (Der hl. Jakob ist übrigens auch der Schutzpatron für Apfel und Feldfrüchte.)
Ich nehme also den Laptop meiner Freundin mit. Und sie selbst auch. Das macht man so, wenn man zusammenlebt und auf Urlaub fährt. Oder auf Pilgerschaff. Oder auf... na ja... nach St. Jakob.
Vielleicht hätte ich nicht sagen sollen, dass sich noch eine Sporttasche ausgeht. Denn während ich an
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