Sind wir bald da
Zimmer gibt.
Nach zwei Versuchen im Ort werden wir schließlich fündig: ein Berggasthof, der im Winter bestimmt nach Germknödel und Spaghetti riecht und vorwiegend mit Schischuhen betreten wird. Hier ist es angenehm, hier übernachten wir. Zwei Fragen habe ich noch: Warum muss ein Berggasthof in der Steiermark Lamas im Streichelzoo haben? Und warum müssen kleine Mädchen andauernd kreischen? Zum Beispiel, wenn sie am Trampolin vor einem Berggasthof spielen. Oder machen das nur die Töchter deutscher Touristen?
Freitag, 17. Juli
Der Welt dümmster Mensch ist der Wiener. Ist so, tut mir leid. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann fangen Sie sich drei, vier männliche Wiener, zirka dreißig Jahre alt, setzen sie in einen Kärntner Gastronomiebetrieb Ihrer Wahl und stellen ihnen jeweils zwei, drei Bier auf den Tisch. Warten, nicht schütteln, Sie werden begeistert sein.
Okay, ich bin an sich auch ein Wiener, aber was ich hier erlebe, ist einfach sagenhaft. Ich sitze auf der Terrasse einer Gastwirtschaft unweit von St. Jakob im Rosental . Am Nebentisch sitzen vier männliche Wiener in der geforderten Altersgruppe, und sie sind bestimmt der ganze Stolz ihrer Züchter. Zwei glatzköpfig (einer davon geht jederzeit als DJ Ötzi durch, wenn auch nicht wegen der Beliebtheitswerte), einer dunkel mit Stupsnase, unauffällig (er ist bestimmt aus Alibigründen dabei, weil die anderen drei Kretins seit fünfzehn Jahren fassungslos Zusehen, wie er in jedem Urlaub als Einziger Weiber abschleppt, und endlich wissen wollen, wie das geht, aber noch immer nicht kapieren, dass das nicht abfärbt), und einer sitzt mit dem Rücken zu mir. Ich vermag nicht zu beschreiben, mit welchen Makeln optischer Natur ihn sein Schöpfer geschlagen hat. Aber seine Stimme ist nichts mehr und nichts weniger als ein dumpfes Grunzen.
Die zahllosen LKWs, die hier die Straße rauf und runter brettern, haben mich nicht aus meinem verdienten und gottgewollten Nachmittagsschlaf reißen können, diese vier Versager haben das in Sekundenbruchteilen geschafft. Jetzt sitze ich eben auch auf der Terrasse und höre: »Die Seer , wunderbare Musik !« Das DJ-Ötzi- Lookalike hat das nicht etwa ironisch gemeint. Was kommt als Nächstes? Daumenschrauben, ein Genuss? Analklistier, mein Höchstes — am liebsten siedend heiß?
Darauf haben sie der Kellnerin die Information entlockt, dass morgen im Ort ein Feuerwehrfest stattfinden wird. Das hat diese Einzeller in Vertebratenkörpern derart glücklich gemacht, dass sie minutenlang gelacht, gesabbert und gegrölt haben. Schließlich haben sie nicht mehr gewusst, was sie so erheitert hat, und sie mussten an das Feuerwehrfest erinnert werden. Ich nehme an, jetzt, wo sie auf die vierzig zugehen, rechnen sie ernsthaft damit, endlich entjungfert zu werden. Aber vielleicht waren sie auch schon mal in Bratislava, dort gibt es vieles für Geld. Sicherheitshalber wird auch Landeshauptmann Dörfler vorstellig werden (hier in St. Egyden bei St. Jakob, nicht in Bratislava). »Der Nachfolger von Haider ?« , wie sich ein weiterer Protagonist in diesem Inferno versichert. Am Nebentisch sitzt nämlich ein Piefke, wie ihn sich nur ein übellauniger Gott in einem schlimmen Anfall von Deutschenhass ersinnen kann. Vermutlich unter Mithilfe von Churchill und Bomber Harris persönlich: spitze Nase, roter Kopf, ein brüllend orangenes Kurzarmhemd, Birkenstockschlapfen mit Socken (wir haben gefühlte vierzig Grad im Schatten) — und das Beste: Er schreit in sein Handy, als ob er a) nicht davon überzeugt wäre, dass der Schall wirklich per Funk über die Berge hierher gelangt, und b) die Tatsache, dass neben ihm, den vier Wiener Kretins und mir noch etliche Familien hier sitzen, für ein bloßes Gerücht hält. Zu allem Überdruss geht es um Fußball. Was für ein Antithema! Fußball interessiert mich alle zwei Jahre für ein paar Wochen, wenn ich zur EM oder WM trinken kann, aber nicht jetzt. Offenbar hat irgendein Piefkeverein sein Trainingslager in Kärnten aufgeschlagen, und die spitznasige Rothaut hat damit irgendetwas zu tun.
Puh, der Jakobsweg verlangt einem tatsächlich einiges ab. Wie bin ich eigentlich hierher gekommen? Blenden wir zurück (Harfen, Glissando, Bild unscharf).
Gestern Abend haben wir in St. Jakob im Walde übernachtet, weil es uns dort ausnehmend gut gefallen hat. Ausschließlich nette Menschen, eine Fandschaft wie gemalt, himmlische Ruhe, gutes Essen und all das und mehr keine anderthalb Stunden von Wien. Herz,
Weitere Kostenlose Bücher