Sind wir bald da
zirka zwei Wochen breche ich nach St. Jakob auf. Mal sehen, vielleicht tut sich da was in meinem Bewusstsein. Im Moment ist mir nur schlecht vom versoffenen Wochenende. Und raus muss ich jetzt auch. Habe einen Termin.
Etwas später
Xaver hat angerufen und gefragt, ob wir uns nicht auf ein Bier treffen wollen. Ich habe heute Abend noch eine Lesung und musste ihm mit Bedauern absagen. Xaver hat sehr positiv geklungen und sogar Scherze gemacht. Als ich ihn darauf angesprochen habe (»Du klingst super, geht’s dir gut ?« ), war ihm das richtig peinlich. Er hat gleich relativiert, dass das jetzt vielleicht so klingt, als würde es ihm gut gehen... kurze Denkpause... »Ja, es geht mir... eigentlich... gut... Weiß auch nicht wieso .« Na bitte, immerhin. Ein bisschen wie ein kleines Kind, das glaubt, dass es mit Stützrädern Rad fährt, ohne zu merken, dass die Stützräder schon die ganze Zeit in der Luft schweben. Wenn man ihm dann sagt, dass es eigentlich eh schon die längste Zeit richtig Rad fahren kann, bricht Panik aus. So ähnlich ist es mit Xaver. Wenn es ihm gut geht, ist er verunsichert, weil er nicht weiß, wie er mit der Situation umgehen soll. Mit Jammern, Raunzen und Klagen kommt er wunderbar zurecht, weil er darin Übung hat. Aber sich in aller Ruhe hinzusetzen und zu sagen: »Ja, ich fühle mich wohl, und das ist gut so«, fällt ihm deutlich schwerer. Gut, dass ich Freunde habe. Ich lerne sehr viel von meinen Freunden.
Samstag, 4. Juli
Heute ist der 4. Juli. Amerikanischer Staatsfeiertag. Ich fühle mich weder amerikanisch noch feierlich. Es ist sagenhaft schwül. Sonnig, aber schwül. Ich habe versucht, mich in die Sonne zu setzen. Wenn man schon in einer angesagten Gegend von Wien wohnt, möchte man ja auch etwas davon haben. Also bin ich in einen Gastgarten am Karmelitermarkt gewackelt. Fest davon überzeugt, dass ich dort den Laptop auspacken und arbeiten würde. Haha, der war gut... Ich habe vor allem versucht, mich nicht zu bewegen und meinen Körper so zu positionieren, dass ich möglichst viel Wind abbekomme. Wenn gerade mal ein Lüftchen aufkam. An Arbeit war nicht zu denken. Ich habe ein Jugendgetränk in meinen schwitzenden Leib geleert und bin wieder nach Hause gegangen. Das ist nicht sehr aufregend, aber draußen kann man zurzeit einfach nichts machen. Geht nicht.
Daheim habe ich festgestellt, dass ich zu wenig Platz in meinem Arbeitsraum habe. Vielleicht sind vier ferngesteuerte Flugzeuge (mit je ein bis zwei Metern Spannweite) nicht die Norm für einen fast Vierzigjährigen. Von den gefühlten zwanzig kleineren Flugzeugen, Raketen und ferngesteuerten Autos, die sich nebst Hunderten CDs und einer Ameisenfarm auf den Regalen tummeln, ganz zu schweigen. Bin ich Materialist? Kindisch? Oder traue ich mich im Unterschied zu so vielen anderen nur, mein inneres Kind auszuleben? Ist es nicht so, dass ich zu meinen Schwächen stehe und total sensibel bin, trotz aller männlichen Rollenklischees? Ich glaube, ja. Das Letztere hat recht gut geklungen, das nehme ich.
Donnerstag, 9. Juli
Ich bin vierzig. Definitiv. Ohne Ironie, ohne »so gut wie«, »ich gehe darauf zu« usw.
Dreißig zu werden war einfacher, jetzt, nach zwei Tagen, geht aber auch vierzig schon gut. Eine Kollegin hat im Zuge einer Charmeoffensive gemeint, ich sähe aus wie ihr dreiunddreißigjähriger Freund. Als ich diese völlig berechnende, aber doch gern geglaubte Lüge des Abends weitererzähle, meint eine andere Kollegin: »Das war aber ganz schön fies ihrem Freund gegenüber .«
Ich: »Wieso?«
Sie: »Na, wenn er aussieht wie du?«
Ich (um Fassung ringend): »Wieso, sie hat ja nur gesagt, dass ich aussehe wie ihr dreiunddreißigjähriger Freund. Obwohl ich vierzig bin .«
Sie: »Eben. Nicht gerade schmeichelhaft für ihn, wenn er aussieht wie du.«
An diesem Punkt will ich das Offensichtliche, das Unausweichliche einfach nicht wahrhaben. Wie betäubt steige ich noch einmal in den Ring, um mir den Knockout zu holen: »Ist das so schlimm, wenn jemand aussieht wie ich ?«
Sie: »Na ja, du bist vierzig und er dreiunddreißig .«
Danke. Kein Missverständnis also. Kein Fehler in der Kommunikation. Pure Fakten. Peng! Anstatt inhaltlich das Weite zu suchen, umkreise ich das Thema weiter. Es geht nämlich um eine mögliche Filmrolle für mich. »Das mit dem Alter könnte halt ein Problem sein«, meint sie. Und anstatt still zu sein (es hätte ja sein können, dass ich einen Fünfzigjährigen spielen soll, was man mit
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