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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Haipl
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Österreich hat sich offenbar hier verlobt. Was die Reliquie genau sein soll, weiß ich nicht. Vielleicht seine Unschuld? Dass der Kaiser hier aber gerne Waldtiere erschossen hat, verstehe ich — die Gegend ist wirklich traumhaft. In der Kirche hängt außerdem noch ein brutal anmutendes Bild des hl. Sebastian. Der wurde ja mit Pfeil und Bogen hingerichtet und sieht im Augenblick seines Todes sehr unglücklich aus. Auch Herr Jesus wirkt auf den Kreuzwegbildern nicht sehr lebensbejahend. Ob das daran liegt, dass ich schon so lange nicht mehr in einer Kirche war? Jedenfalls habe ich das Gefühl, als würde es sich um eine sadomasochistisch ausgerichtete Sekte handeln, deren oberstes Ziel darin liegt, Kinder zu traumatisieren? Ansonsten ist die Kirche nämlich wirklich hübsch. Nicht zu groß, nicht zu klein. Gerade genug Gold, um nicht protzig zu wirken. Auf einem Kirchenfenster ist eine Jakobsmuschel zu erkennen — ich bin endlich auf dem richtigen Weg, geil!
    St. Jakob im Walde ist ein Blumenort. Schönstes Blumendorf Europas. Es gibt hier einen Europapark, in dem die Flaggen aller europäischen Länder mit Blumen dargestellt sind. Also nicht in der richtigen Form, aber zumindest die Farben stimmen. Deutschland also mit roten, schwarzen und gelben Blumen. Österreich mit roten, weißen und wieder roten. Frankreich mit blauen, weißen und roten. Und so weiter und so fort, ich glaube, Sie wissen, was ich meine. Also wirklich eine tolle Idee. Ich überlege. Die Sowjetunion könnte man zum Beispiel mit roten und gelben Blumen darstellen. Oder Israel, mit blauen und weißen. Da gibt es viele Möglichkeiten, wenn man über Europa hinaus denkt!
    Gegenüber vom Europa-Blumenpark befindet sich das Kräfte-Reich, eine sehr neue Ausstellung zum Thema »Mächte, Mythen, Wirklichkeiten«. Ich kann gar nicht im Detail beschreiben, worum es da geht, muss man sich wahrscheinlich selber anschauen. Wenn man aber ein wenig aufgeschlossen ist und nicht nur das glaubt, was man sieht, hat man hier vermutlich eine gute Zeit.
    Die Wände zieren Sprüche, ich darf zitieren:
    »Drei Pfade hat der Mensch in sich, in denen sich sein Leben tätigt: die Seele, den Leib und die Sinne .«
    Hildegard von Bingen
    »Monologe sind lauter Atemzüge der Seele .«
    Friedrich Hebbel
    »Nichts kann die Seele heilen als die Sinne, so wie nichts die Sinne heilen kann als die Seele .«
    Oscar Wilde
    »Ich habe so viele Leichen seziert und nie eine Seele gefunden .«
    Rudolf Virchow
    Die Damen an der Rezeption sind reizend und hilfsbereit. Als ich ihnen erzähle, dass ich über St. Jakobs schreibe, meint eine allerdings streng: »Aber nicht ironisch schreiben, gell ?« I wo, ich doch nicht.
    In St. Jakob hat es 1945 offenbar noch mehr gekracht als sowieso und mehr als notwendig auch. Im Zuge der Befreiung wurde der Ort großräumig niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht. Was hier in dem Dorf so dringend bombardiert werden musste, konnte mir niemand genau sagen. Flugzeugmotorenwerke, Rüstungsindustrie oder Flughäfen werden es wohl nicht gewesen sein. Oder waren die vielleicht heimlich unter der Kirche versteckt? Oder unter einem der drei Gasthäuser, die es gibt? Wie auch immer. Verständlich jedenfalls, dass man es sich nicht nehmen ließ, einen Soldatenfriedhof anzulegen, zu hegen und zu pflegen. Das gibt es zwar anderswo auch, aber der hier ist besonders: Auf jedem Kreuz ist nämlich ein Wehrmachtshelm montiert. Das ist dann doch eher ungewöhnlich.

    Vor einem Jahr, so erzählt man mir, habe es ein Wiedersehensfest mit einem amerikanischen Luftwaffensoldaten gegeben, den man 1945 durch Abschuss von der Ausführung seiner Arbeit abgehalten hat. Er sei sehr nett gewesen, habe sich an sehr viel erinnern können. Er und die Leute vom Kameradschaftsbund hätten es fein miteinander gehabt und hätten beschlossen, dass es an sich besser ist, sich weder zu bombardieren noch abzuschießen. Außerdem sei St. Jakob der »Ort des Kriegsendes«. Wie das genau zu verstehen ist, habe ich nicht ganz verstanden. Aber ich vermute, dass hier die letzten Kampfhandlungen stattgefunden haben, während man in Wien eigentlich immer schon Antifaschist und Kommunist gewesen ist.
    Wir fahren zu einem Lokal, das sich dort befindet, wo Kaiser Karl sein Jagdschloss gehabt hat, essen und beschließen, nicht weiter nach St. Jakob im Rosental zu fahren, weil es hier einfach zu schön ist. Wir wollen länger bleiben. Dumm nur, dass es in der ehemaligen Kaiserresidenz keine freien

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