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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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existieren? Sie sah ihr verzerrtes Gesicht im Spiegel. Diese hässliche Fratze, zu der es in Jahren der Entbehrung, der Demütigung geworden war.
    Lina hob die Faust und schlug in das Bild ihrer selbst. Splitter übersäten den Toilettentisch, ihre Hand blutete. Sie umschloss mit den Lippen den verletzten Finger und sog die warme, metallisch schmeckende Flüssigkeit in ihren Mund. Sie fühlte den Kreislauf, die innere und äußere Wunde.
    Und Lina wusste, dass ihr Leben gerade erst begonnen hatte.

5. Kapitel
    Der Schlaf, den sich Cyprian von Warnstedt in seinem französischen Bett gegönnt hatte, war kurz, aber ergiebig und vor allem erholsam gewesen. Es war seit jeher so, dass ihn der Schrecken der Realität, mit dem er sich bei seiner Arbeit konfrontiert sah, nicht lange verfolgte. Er kam nach Hause und streifte alle bösen und deprimierenden Gedanken ab wie einen klammen Mantel, der vom Regen durchnässt ist und den man zum Trocknen in die Ecke hängt, bevor er am nächsten Tag wieder hervorgeholt wird. So war es auch diesmal gewesen. Zwar verfolgte ihn Lina noch als Traumgesicht, doch am Morgen hatte er alles Geträumte wieder vergessen.
    Sein erster Gang führte ihn ins Büro. Er setzte sich an den Schreibtisch, griff erst nach einem Federkiel, um sich dann doch noch für den neuen Waterman-Füllfederhalter zu entscheiden, und notierte einige Punkte, die es zu erledigen galt: Er würde sich die Kartenrunde vornehmen müssen. Die Männer waren Wilhelms Bekannte gewesen; sie mussten also etwas über das Wesen des Verstorbenen zu berichten wissen, auch über sein Umfeld, seine Freunde und Feinde. Sobald er den einen oder anderen von ihnen befragt hatte, würde der Gerichtsmediziner wohl so weit sein, einige Aussagen zum Todesfall machen zu können. Zuoberst auf Warnstedts Liste aber fand sich der Name Robert Fichtner. Wo mochte er wohl sein? In seinem Hinterkopf spukte das Wort ›Meran‹ herum, das er vor Monaten auf einer Tagung vernommen hatte, wo einige Kollegen über den bedauernswerten Schwindsüchtigen gesprochen hatten.
    Cyprian ließ sich mit einigen Hotels der Südtiroler Stadt verbinden. Beim dritten Versuch wurde er fündig. »Fichtner?«, wiederholte eine klare Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. »Aber der Herr ist doch schon abgereist.«
    »Wann war das?«, erkundigte sich der Polizist aufgeregt.
    »Da müsste ich den Portier fragen, so genau weiß ich es nicht. Aber ich glaube, das war gestern früh. Oder war es vorgestern Abend …?«
    »Adressänderung?«, wollte Cyprian wissen. »Hat er irgendeine Anschrift angegeben, an die seine Post geliefert werden soll?«
    »Es war eine Wiener Adresse. Dieselbe, von der aus er damals ein Zimmer bei uns reserviert hatte.«
    »Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen«, meinte der Inspektor und verabschiedete sich. Erneut drehte er den Kurbelinduktor seines Telefons, um sich beim Fräulein vom Amt bemerkbar zu machen, und bat sie nach der Adresse des Sektionsrats Fichtner. Danach kritzelte er schnell für seinen Stab eine Mitteilung auf ein Blatt, das er an die Klinke seiner Bürotür hängte: Er hatte eine erste gemeinsame Besprechung auf zwölf Uhr angesetzt. Warnstedt schlüpfte in seinen Mantel und verließ das Gebäude in Richtung Opernring und Albertina.
    Am Zielpunkt angekommen, betrat er das Gebäude, stieg die Stufen zu Fichtners Wohnung hinauf und klingelte. »Robert?«, rief er und hämmerte an das Holz der Tür. »Robert Fichtner? Bist du da? Hier ist von Warnstedt. Mach auf, Robert, es ist wichtig!«
     
    In seiner methodischen, doch teilnahmsvollen Weise trat Cyprian von Warnstedt ins Zimmer und warf einen flüchtigen Blick auf die Örtlichkeit. Die Unordnung fiel ihm auf, aber auch das angeschlagene und kränkliche Aussehen seines Freundes, der ihm geöffnet und sich inzwischen in einen Sessel zurückgelehnt und die Beine übereinandergeschlagen hatte.
    »Woher wusstest du von meiner Rückkehr?«, fragte der Sektionsrat, während er unbeweglich dasaß. »Ich habe hier niemanden von meinem Kommen unterrichtet.«
    Warnstedt trat an ihn heran, um ihm gegenüber auf der Vorderkante eines zweiten Sessels Platz zu nehmen. »Robert, ich komme nicht in privaten Angelegenheiten«, fing er an.
    Fichtner rieb sich die Schenkel. Eigentlich wollte er es seinem Gast überlassen, den weiteren Verlauf des Gesprächs zu bestreiten.
    »Ich bin hier in meiner Funktion als Gendarmerie-Inspektor.« Ärgerlich kaute er an einem Daumennagel herum. Diese

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